Montag, 25. Mai 2020

Heute in einem Jahr - Folge 35: 25.05.2021

Turbulente Zeit. Viel zu tun, viel zu planen, lange Tage, kurze Nächte. Fallen durch die Zeit. Ein taumeln durch den Tag. Gibt ja solche Phasen. Über Träume konnte ich da kaum nachdenken. Beim Fallen ins Bett blitzen noch Gedanken zu Post-Its auf und als der Kopf das Kissen traf waren sie nur noch diffuser Nebel.

Am Wochenende stand ein dringend notwendiger Familienbesuch auf dem Programm – und der entschleunigte die Turbulenz wieder. Ist ja eh irre, wie sich in einer vermeintlich entschleunigten Zeit dann doch plötzlich wieder ein solcher Termin-To-Do-Berg zusammenwahnsinnt. So war das Zubettgehen gestern Abend ein entspanntes und ehrlich müdes und das vor einem so gut wie terminfreien Tag. Geschmeidig glitt der Verstand hinüber und ich schwamm los. Ich mag es sehr, wenn sich mein Verstand in den Schlaf schwimmt. Gleichmäßige Kraulzüge sind unendlich meditativ. Nach einer Weile verwandelte sich das Schwimmbecken in eine Meer, der blaue Himmel in einen Sonnenuntergang, aus Kraul wurde Schmetterling und aus mir logischerweise ein Delphin.

Als mir das klar wurde machte ich direkt ein paar kuriose Sprünge aus echt schnellem Geschwimme heraus. Nach ein paar Salti wechselte ich vom Springen zum Tauchen und freute mich über die sich im Wasser brechenden Sonnenstrahlen des roten Abends. Ein wunderbares Gefühl unendlicher Freiheit. Ich grüßte ein paar bunte Fische, gab einem entspannt vorbei ziehenden Wal-Hai ein Flossen-High-Five und sah dann einen riesigen Oktopus vor mir. Er winkte und gibt mir ein Zeichen zu ihm zu kommen.

„Grüß dich!“ sagte der Oktopus.
„Hi!“ sage ich.
„Wo?“ fragt der Oktopus.
„Echt? Echt jetzt?“ frage ich.
„Tschuldigung!“ sagt der Oktopus „aber das ist so was wie ein Reflex ... ich kann nicht anders!“ Er macht eine seltsame Bewegung mit seinen Tentakeln, die wohl so was wie ein schulterloses Schulterzucken sein soll.
„Kenne ich ... so was muss dann raus ... vollkommen verständlich“ sage ich.
„Ich hab da was für dich“ sagt der Oktopus und streckt mir ein Tentakel entgegen, an der ein lila Post-It hängt.


"Hallo! Wir haben uns entschieden uns mal kurz in deinen Astral-Feed zu hacken, da wir es für notwendig halten, dir Mal eine andere Sicht in die Zukunft zu zeigen. Dein Parallel-Ich zeigte dir bisher hauptsächlich positive Zukunftsvarianten ... wir müssen dir aber leider sagen, dass die Wahrscheinlichkeit für diese Szenarien sich auf einem fast schon exponentiellen Sinkflug befindet ... wir zeigen dir jetzt eine Variante aus dem oberen Perzentil der futuralen Probabilitätsprojektion.
Grüße!
Die Oktopoden“

„Wow! Heyhey ... haben wir Zeit für ein paar Fragen? ... ich hätte da welche!“ sage ich.


"Eigentlich nicht ... aber schieß mal los!“


„Wer ist denn das Parallel-Ich? Der Selbe, wie mein Future-Ich?“ frage ich.


"Das soll er dir erklären! ... Hups – unser Hack wurde bemerkt, wir fliegen aus der Le/ .....“

 „Hallo? HALLO?!“ frage ich und sehe in dem Moment ein vorbei schwimmendes lila Post-It mit einem aufgemalten Fenster, durch das ich hindurch schaue.

Ich finde mich an der Ausgabestelle der Tafel am Münchner Großmarkt. Die Schlange ist wahnsinnig lang. Hoffnungslose Gesichter und traurig blickende Kinder. Hätte mein körperlos schwebendes Ich einen Magen, er würde krampfen.

Die Luft ist schlecht und entlang der wartenden Menschen stauen sich Autos an LKWs.

Mir fällt ein Plakat auf, das ich im ersten Moment für ein Wahlplakat halte, weil der Kopf von Friedrich Merz ernst darauf drein schaut, was konsequent ist. Seine versuche zu lächeln schauen immer extrem gruselig aus. Es ist aber kein Wahlplakat. Ja, was ist das eigentlich? Ich schaue genauer hin.

Auf dem Plakat steht: „Die Verlängerung der Arbeitszeit bis 75 war der richtige Weg – genau wie die vollkommene Privatisierung der Rente und des Gesundheitssystems. Die Bürger werden mit unserem Programm Blackrock21 dabei perfekt unterstützt.“ Unterschrieben ist das ganze mit „Friedrich Merz, Bundeskanzler, Widerstand 2020“.

Ein weiteres Plakat wirbt für das Bauvorhaben eines neuen Atomkraftwerks in Garching. Im Plakat daneben winkt ein Zigarre rauchender Manager-Typ aus einer mächtigen Mercedes S-Klasse. Darunter der Slogan „Den Rauch genießen – der neue Diesel“.

Jetzt gelingt das Kunststück: Der Magen meines körperlosen Ichs krampft und mir wird speiübel.

Ich will mir das nächste Plakat in der Reihe, von KraussMaffei, genauer ansehen, da sehe ich den Post-It, der daran klebt:

"... dies ist eine unsichere Verbindung ... bitte kontaktieren sie ihren Administrator ...“

Dienstag, 19. Mai 2020

Heute in einem Jahr - Folge 34: 19.05.2021

Ich muss sagen – dieser letzte Blick in die Zukunft, den mochte ich ... bei dem Gedanken an Philipp Amthor als bescheuert verknallter Mastermind hinter allen Verschwörungen, da muss ich immer noch grinsen ... sicherheitshalber sollte ich die Geschichte einfach selbst schreiben ... bei all den Paradoxa und Inkongruenzen. Das nehme ich mir einfach mal für morgen vor.

Schlecht geschlafen habe ich trotzdem. Manchmal braucht es dafür ja auch keinen konkreten Grund. Es war wieder so, als hätte ich das Einschlafen verlernt. Ich hasse das ... man liegt wohl gebettet ... und schläft einfach nicht ein. Irgendwann rutschte ich dann, wie immer in solchen Situationen, in unruhige Kurzschlaf-Episoden mit wirren, halbwachen Träumen. Dieses Mal ging es um Verfall. In einer Sequenz hielt ich ein flammendes Plädoyer für Nachhaltigkeit und darüber, wie bescheuert es ist, sich jedes neue Apple-Notebook kaufen zu müssen, und dass meines dieses Jahr seinen 8. Geburtstag feiern wird ... kaum gesagt fing das Notebook an zu verfallen und verwandelte sich in eine Art Computerzombie.

In der nächsten Traumepisode lösen sich meine Backenzähne auf ... das ist sehr ätzend. Ich gehe zum Zahnarzt. Der Zahnarzt beginnt zu bohren. „Da ist irgendwas!“ sagt er. „Da ist ... da ... da ist ja eine Tür unter ihrem Backzahn ... warten sie ... ich klingele mal!“ Er klingelt. Es klingelt.

Es klingelt in meinem Kopf. Ich gehe zur Tür und öffne. Vor der Tür steht mein Zahnarzt. Ich bitte ihn herein und serviere im Tee und Gebäck. Ich habe den Eindruck, der Zahnarzt schaut mit einer Mischung aus Vorwurf und Skepsis auf die Kekse. Das versuche ich lächelnd zu ignorieren und widerstehe dem Drang mit der Zunge an meinen Backenzähnen rumzuzüngeln ... auch aus einer recht manifesten Angst davor, dass es in meinem Wohnzimmer feucht werden könnte. Ich möchte Tee einschenken. Auf der Teetasse klebt ein Post-It:

"Wir machen heute noch Mal was Positives, oder? Nach der Nacht?!
Dein Future-Ich“


Dieses Mal öffnet sich ein Fenster direkt in der Teekanne und ich sehe strahlenden Sonnenschein – logisch – ist ja auch die Sonnengruß-Yogi-Teemischung.

Ich fliege körperlos durch die Baaderstraße und erfreue mich wieder an der Vielzahl kleiner kreativer Geschäfte. Ich fliege durch die saubere Luft vorbei an einem kleinen Café, das „Dolphin & Octopus“ heißt. Daneben ist eine kleine Agentur, sie heißt „dotorgpunktcom.de – Agentur für Alles und gegen Eintönigkeit“- da schaue ich mal kurz rein, weil mir der Name so gut gefällt.

Ich höre den Gesprächen der Leute im Raum zu und versuche mir einen Reim darauf zu machen, was die wohl anbieten könnten. Gar nicht so kompliziert. Sie haben sich auf Burn- und Bore-Out-Prophylaxe spezialisiert und bieten Firmen Konzepte an, die dabei helfen, Mitarbeiter nicht zu verheizen oder sie in Phasen, in denen weniger zu tun ist zu verlieren. Das bunte Team aus Psychologen, Diplom-Sportlehrern, Philosophen, Köchen, Finnoukristen und noch ein paar weiteren Spezialisten und Allroundern bietet dabei Einzel- und Gruppencoachings an und hilft Mitarbeitern dabei Leerlaufphasen sinnvoll zu nutzen und ihre Work-Life-Balance so zu planen, dass es da eine tatsächliche Balance gibt. Wieder eine gute Idee.

Ich schwebe weiter in die Kaffeeküche. Neben der Kaffeemaschine steht ein Typ mit leichtem Hipster-Einschlag. Er zieht was aus seiner Jacken-Innentasche was ausschaut, wie ein silbernes Zigaretten-Etui. Er öffnet es und nimmt ein cremefarbenes Origami-Papier heraus. Während er auf seinen doppelten Espresso wartet faltet er mit schnellen und sauberen Bewegungen eine winzig kleine Espresso-Tasse aus dem Papier. Als der Kaffe fertig ist, stellt er das kleine Origami-Kunstwerk auf die Maschine und setzt sich mit seinem Espresso auf eine mitten im Raum hängende Schaukel. An der Wand steht in karolingischen Minuskeln: „Schnauze voll? Erst mal schaukeln!“

Hier würde ich auch arbeiten, denke ich und werfe einen Blick auf die gut gepflegte La Marzocco Siebträgermachine. Ein Post-It klebt an ihr:


"Morgen wieder!“

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Montag, 18. Mai 2020

Heute in einem Jahr - Folge 33: 18.05.2020/21

Die letzte Post-It-Reise hat mich schwer irritiert zurück gelassen. Ich habe ja wirklich eine Schwäche für verschrobene Science-Fiction, gerne mit sehr viel visionärer Pseudo-Wissenschaft. Aber das hier? Das ist schon hart zu ertragen. Und dann diese ständigen Andeutungen. Oktopoden. Nanobots. Delphine. What? What? What? Was denke ich ... oder mein Future-Ich ... oder wer immer der Typ auch ist, der mir da Zettelchen schreibt ... was denkt der sich dabei? Will er ... oder es? ... vielleicht ist das ja gar kein Mensch der da kommuniziert? ...  mich nur verwirren.

Gedanken darüber haben mich das ganze Wochenende durch begleitet. Am gestrigen Sonntag habe ich dann versucht der Irritation über die vage angedeuteten Zukunftsszenarien Irritation in Form von koreanischen Rache Filmen entgegen zu setzen. „Sympathy für Mr. Vengeance“ und „Oldboy“ ... das hat ganz zuverlässig Gegenirritation gebracht. Aber nicht genug. Beim Zubettgehen kamen die Andeutungen über die Zukunft wieder hoch. In meinen Träumen mischte sich eine Demo von Verschwörungs-Doofs mit der legendären Hammer-Szene von Oldboy, in welcher sich die Hauptfigur nur mit einem Hammer bewaffnet durch eine ganze Armee von Gegnern prügelt. So prügelte ich mich auf einer dieser Demos durch eine Armee von Blödsinn salbadernden Esoterik-Ottos, Impfgegner-Wirrköpfen und Querdenker-Bommel-Trägern. Allerdings nutzte ich keinen Hammer sondern eine rund 150 cm lange Fleischwurst auf der  „Mindesabstand“ stand.

Die Demo war auf der Theresienwiese und ich schlug mich zur Bavaria durch. Dort angekommen traf ich Attila Hildmann, der meinte, die Wurst sähe lecker aus und ob er wohl ein Stück davon haben könne. Logo! Wurst kann Brückenschlag und Element der Verständigung sein, das sagte ich ja schon immer. Als ich ein Stück abschneiden will fällt mir der Post-It am Wurstzipfel auf:

"Wurstzipfel war schon immer eines meiner Lieblingsworte!“


„Meins auch ... aber das ist ja irgendwie nicht sonderlich verwunderlich!“ sage ich.


"Stimmt! Aber auch nicht zwingend, wie gesagt ...“

„ ... es ist kompliziert!“ ergänze ich.

"Richtig! Ist es. Tut mir leid, dass das alles verstörend ist – deshalb hast du heute die Wahl: Magst du lieber einen Blick in eine versöhnliche Zukunft werfen oder magst du mehr Irrsinn und Irritation? Heute hast du die Wahl!“

Ich muss nicht lange überlegen. Mir ist nach Versöhnlichkeit! Ich glaube, ein Blick in eine positive Zukunftsversion tut mir in der aktuellen Situation besser, als noch mehr irritierende Absurditäten. Und sehr gerne würde ich noch mal eine Runde durchs Viertel smoothen!

"Wäre auch meine Wahl gewesen! Na dann viel Spaß bei der heutigen Runde – ich hoffe, du ziehst daraus etwas Beruhigung, Kraft und Motivation!
Dein Future-Ich“

Ich blicke auf das nun mit einem Fenster bemalte Post-It am Wurstzipfel, es öffnet sich und ich finde mich in einer schon bekannten Perspektive. Ich sehe mir dabei zu, wie ich mit dem schnittig flotten Elektro-Lastenrad geschmeidig durchs Westend smoothe. Ich halte vor einem Laden in der Ligsalzstraße. Er heißt „Die Weltverbesserei“ mit dem beschreibenden Zusatz „Laden für Nachhaltiges, DIY-Zeug, Ent-Idiotisierungsmaterial und Mescal - Guten Kaffee gibt’s auch!“

Klingt super. Ich folge mir beim Betreten des Ladens und schau mir zu wie ich mich setze und dem Nachbar hinter dem Tresen winke, wortlos-wissend nicken beide und wenig später steht ein Kaffe vor mir, den ich aus eigener Erfahrung direkt als großen Triple-Shot-Cappuccino identifizieren.
Neben diversen Kaffeespezialitäten kann man in dem Laden bunt gemischte Produkte aus nachhaltiger Produktion kaufen, die meisten gefertigt von Produktionskollektiven aus dem Viertel. Es gibt auch interessante Produkte aus dem Rest der Welt ... zum Beispiel sehr stylische Messer, die aus altem Panzerstahl geschmiedet wurden.

Auf dem Tisch fällt mir ein hübsch aufgemachtes Zine, also ein verlagsfrei und in Eigenproduktion erstelltes Magazin, auf. Es heißt "AntiIdiotikum". Ich schaue mir beim Lesen über die Schulter. Der Artikel, den ich mit mir mitlese heißt „Andi, es war alles nur für dich!“

Ich fasse den Inhalt kurz zusammen. Geschrieben wurde der Artikel in der Ich-Form. In der Geschichte ging es darum, dass die ganzen Verschwörungstheorien, die Mitte 2020 so geballt zusammen kamen ganz gezielt gestreut wurden als ganz bewusste Verschwörungstheorie-Verschwörung (VTV). Initiiert ... oder besser orchestriert wurde das alles von Philipp Amthor von der CDU. Grund für diesen Aufwand: Er wollte den Fokus der Aufmerksamkeit möglichst weit weg von Andreas Scheuer wenden, in den er sich unsterblich verliebt hatte. Also sorgte er für möglichst viel Informations-Chaos und möglichst viele abwegige Theorien, mit dem Ziel, dass das nicht weniger abwegige Verhalten vom Verkehrsminister nicht weiter auffällt.
Gewagte Thesen ... die mir aber grade gegen Ende des Artikels gar nicht mehr so abwegig vorkommen. Blöderweise klebte direkt über dem Namen des Autors am Ende des Artikels ein Post-It:

"Morgen wieder!“
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Freitag, 15. Mai 2020

Heute in einem Jahr - Folge 32: 15.05.2020

Ich war mit dem Bewusstsein ins Bett gegangen, dass ich wachsam sein muss um im Fall der Fälle selbst aktiv werden zu können, um Kontakt aufzunehmen. Stellte sich aber raus, dass das gar nicht nötig war. Ich war schnell eingeschlafen, fiel durch einen Strom nicht klar fassbarer Traumphantasmagorien, ging irgendwann durch einen großen Raum, der voller Koffer stand, ging dann durch ein Tür und stand in einem Geschäft, dass sich spezialisiert hatte auf runde Aquarien. Es war voll gestellt mit Varianten des klassisch runden Goldfisch-Glases. In der Mitte des Raums stand ein Goldfischglas von sicher 2 Meter Durchmesser, in welchem 2 bildschöne Koi-Karpfen ihr Runden zogen – ich ging zu dem Glas und sah den Post-It:

"Hallo!“


„Hallo!“ sage ich. „Bisserl einsilbig heute?“


"Ich bin noch immer beeindruckt über deine Kontaktaufnahme!“

„Und ich bin immer noch sehr irritiert, dass du offensichtlich den Kontakt zurück schraubst. Habe ich irgendwas falsch gemacht?“

"Nun ... es tut mir sehr leid. Du selbst hast nichts falsch gemacht. Aber leider viele andere in deiner Version der Welt. Ich muss dir sagen, dass es bei dir grade in eine falsche Richtung läuft – der Pangalaktische Rat hatte deshalb in einem Eilbeschluss zunächst verfügt, dass wir uns in unserer Informationspolitik lieber auf Parallelwelten konzentrieren, die grade besser unterwegs sind.“

„Scheiße! Das hab ich ehrlich gesagt schon befürchtet ... ich habe mich die ganzen letzten Tage schon gefragt, wie eine so coole Zukunft möglich sein soll, wenn sich auf den Straßen Verschwörungsspinner zusammen finden und die Politik keinen der Wege geht, die sinnvoll und logisch wären, sondern mit Anlauf zu dem vorherigen Stand der Dinge zurück will. Sehr schade!“ sage ich und merke, wie ich einen mächtig großen Kloß im Hals habe und sich im Augenwinkel Feuchtigkeit sammelt.

„Wir verkacken das, stimmt’s?“ frage ich

"Ehrlich gesagt: Es schaut so aus, ja! Aber ich sagte ja "zunächst" ... Ich habe nämlich trotzdem gute Nachrichten für dich!“
„Tatsächlich?! Wie das?“

"Nun! Zunächst war der Eilbeschluss des Rates auch für mich etwas überraschend. Letzte Woche hatte ich dir ja gesagt, dass ihr mehr Zeit bekommt – da war aber die rapide Entwicklung der Absurdität bei den Verschwörungsspinnern und die beknackten Ideen der Politik noch nicht so offensichtlich – deshalb gab es den Eilbeschluss. Ich habe nun beim Rat ein gutes Wort eingelegt, dass es den Informationsfluss weiter gibt. Ich meinte, dass es Hoffnung gibt aus der Tatsache heraus, dass aus deiner Welt das erste Mal die Kontaktaufnahme in die andere Richtung geklappt hat. Du warst nämlich nicht der einzige, der einen Weg gefunden hat. Da scheint in eurer Version der Welt was besonderes zu sein.“

„Was? Es gab noch mehr Kontaktaufnahmen in die andere Richtung! ... ist ja irre? Und jetzt? Ziehe ich daraus jetzt irgendeine Form von obskurem Arbeitsauftrag ... oder soll ich einfach mal abwarten, wie es jetzt weiter geht?“

"Ich würde sagen: Beides!“


Irgendwie scheint der gelbe Post-It seltsam zu grinsen.

"Deine Welt überrascht uns grade positiv und negativ. Ruhe dich das Wochenende aus und wir machen am Montag weiter – schauen wir mal, wohin das führt!“

„Ich in sehr verwirrt!“ sage ich. „Wie kann dich das alles überraschen, wenn du doch eine zukünftige Version von mir bist? Ihr müsst doch eigentlich wissen, was passiert ... sonst gäbe es euch doch gar nicht? Oder verstehe ich da etwas komplett falsch?“

"Oh ja. Da verstehst du einiges falsch. Einiges! Ist aber auch kompliziert, gebe ich zu. In einem Pangalaktischen Multiversum mit sub-astralen Verbindungs-Energie-Strömen kommt es immer wieder zu Raum-Zeit-Paradoxa, Logik ist immer relativ und die konsekutive Konsequenz in der Realität ohnehin illusionär!“

Ich habe das Gefühl, dass mir eine dünne Rauchsäule aus dem Ohr steigt. Ich sage irgendwas das ungefähr klingt wie „Gnrhgs?!“

Mein Blick fällt auf das große Aquarium.

Einer der beiden Kois schwebt direkt vor meinem Gesicht im Wasser. Er öffnet das Maul und in seinem Rachen klebt ein Post-It:

"Montag wieder!“

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Donnerstag, 14. Mai 2020

Heute in einem Jahr - Folge 31: 14.05.2020

Bis Montag. Stand da ja auf dem Zettel am Montag. War mir aber erst aufgefallen, als ich schon wach war. Bis Montag. Was sollte das denn? Ich versuchte dann am Montag direkt wieder einzuschlafen und nachzufragen, was aus dem „Morgen wieder!“ geworden war. Das ist mir aber nicht gelungen. Eine Woche warten. Da hatte ich eigentlich keine so große Lust drauf und ich hatte wirklich auf wieder einkehrende Regelmäßigkeit gehofft.

 Am Montag Abend nahm ich mir dann ganz fest vor, im Traum irgendwie Kontakt aufzunehmen – ist mir aber nicht gelungen. Ich träumte nur verschlungenen Käse, ganz wirres Zeug. Dienstag selber Vorsatz: „Du musst dir bewusst werden, dass du träumst und dann irgendendwie eine Nachricht da lassen“. Wieder nicht geklappt. Ich wachte nach 8 Stunden auf und hatte keine Ahnung von dem, was ich geträumt hatte.

Mittwoch Abend. Neuer Versuch. Tatsächlich schlief ich hundemüde in Rekordzeit ein und erinnere mich, dass ich nach einem entspannten Flug über Sendling geschmeidig vor der Shopping-Mall auf der Schwanthalerhöhe lande. Kurzer zweiter Realitätscheck, ob das wirklich ein Traum ist oder ob ich einfach irgendwie tatsächlich endlich doch gelernt habe zu Fliegen (was extrem cool wäre!). Ich schaue auf die Uhr – es ist 31:67 Uhr – sagt meine Apple-Watch (also ist es klar! Muss ein Traum sein ... ich trage nie eine Uhr ... und schon gar keine Apple-Watch!). Kurzes Gefühlschaos: Trauer darüber, dass ich also offensichtlich nicht fliegen kann. Freude darüber, dass ich in einem Traum bin und mich kontrolliert frei bewegen kann. Die Freude überwiegt mächtig: Das ist eine gute Ausgangssituation.

Ich hüpfe hoch vor Freude und hebe dabei gleich ab und steige mindestens 30 Meter in die Luft ... vorsichtig lande ich wieder und betrete die Mall. Ich wandere durch die Gänge aus glitzerndem Perlmut, vorbei an seltsamen Geschäften, bis ich vor dem Geschäft stehe, das ich brauche: DIE POST-IT-BOUTIQUE. Ich betrete den Laden und erwerbe nach kurzem Umschauen ein Profi-Post-It-Set in einem Etui aus weichem Pferdeleder. Es enthält: eine Auswahl Post-It-Blöcke in verschiedenen Schattierungen von mattgrau, verschiedene Tinten, einen Löffel, einen silbernen Füller, ein Feuerzeug.

„Okay, wenn ich gleich hier einen Zettel schreibe!“ frage ich die diplomierte PostItologin hinter dem Tresen.

„Hey – mi casa es su casa!“ sagt die Dame.

Ich stelle mich an das Schreibpult. Im Hintergrund läuft „Bullwinkle Pt. II“ von den Centurians. Ich öffne langsam das Etui, mische bedacht in dem Löffel eine Tinte aus Silber und dunklem Grau und koche die Mixtur mit dem Feuerzeug kurz auf. Diese Mischung ziehe ich dann mit dem Füller auf. Ich wähle einen taubengrauen mit zartem Blaustich und schreibe:

„Hey! Future-Ich! Warum denn erst Montag? Verlierst du langsam die Lust?“

Dann wende ich mich wieder an die Dame hinter dem Tresen.

„Haben sie zufällig einen MultiversumsTimeSwitch (MTS) oder einen ParallelUniverseWormholeTransmitter (PUWT)?“ frage ich.

„Ja sicher – einen MTS8 – da hinten an dem blinden Spiegel – kleben Sie den Post-It einfach dahin!“ sagt sie lächelnd.

Das mache ich auch. Ich klebe den Zettel und meine ein leicht sphärisches Flirren zu vernehmen. Dazu riecht es wie unter einer Stromleitung kurz vorm Gewitter.

Direkt erscheint ein gelber Post-It unter dem von mir geklebten:

„Donnerwetter! Ist noch nie passiert, dass einer von euch Kontakt aufgenommen hat!“

„Du machst es einem ja auch nicht leicht!“ schreibe ich.

„Ist ja eigentlich auch nicht Sinn der Übung!“

„Finde ich aber auch nicht ganz fair. Was ist denn nun? Warum erst Montag?“

„Ich habe es grade ein wenig eilig! Erkläre ich dir aber! Versprochen“
„Ja aber wann denn?“ frage ich ... und ahne es schon.



"Morgen wieder!

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Montag, 11. Mai 2020

Heute in einem Jahr - Folge 30: 11.05.2020

Beim Einschlafen blätterte ich in ein paar alten Peanuts-Cartoons und dachte darüber nach, dass es schon mal sehr interessant wäre die Welt aus den Augen eines entspannten Beagles zu sehen. Generell habe ich mit Hunden nichts am Hut, aber dennoch ... spannend wär das mal. Wenig später räkele ich mich und muss mich festhalten: Beinahe wäre ich abgestürzt, da ich rücklings auf dem schmalen Dachfirst eines roten Holzhauses liege. Über mir flattert ein gelber Vogel und sagt: „Minnimi mihi nihimi ni HI nihi mi!“ – was ich inhaltlich voll umfänglich teile, für den Moment aber nicht für zentral relevant halte. Der Vogel fragt: „hiHi –Mi Mi?“ – und da bin ich wiederum sofort dabei. Ich krabbele entspannt von der roten Hütte runter und gebe dabei meiner keinen Schreibmaschine einen liebevollen Klaps. Der gelbe Vogel flattert neben mir her und wir holen uns bei dem Kiosk um die Ecke ein Sixpack Bier. Auf dem Weg treffen wir meinen Freund Charly.  Ich gebe ihm ein Bier ab. Der gelbe Vogel hat einen Termin mit seinem Steuerberater. Mit Charly zusammen gehe ich zu unserem Lieblingsplatz, dem Steg am See. Wir setzen uns und geben uns ganz dem hin, was der Japaner als BOKETO beschreibt, dem ohne was zu denken ziellos in die Ferne schauen. Ich schau nach rechts und sehe einen Pfosten, an dem ein Post-It hängt:


"Willkommen zurück! Und viel Spaß mit deinem heutigen Blick durchs Fenster!
Dein Future-Ich“


„Hey! Wie war denn dein Wochenende? Hattest du Spaß beim Wingsuit-Fliegen in den Anden?“


"Es war absolut umwerfend! Dieses Gefühl von Freiheit und gleichzeitigem Nervenkitzel! Wirklich sensationell!“

„Sag mal – ist das nicht für die Umwelt totaler Mist? Einfach mal so um die halbe Welt zu fliegen - nur um etwas Spaß zu haben?“


"Was? Warum das denn?“


„Na ... CO2 ... Flugzeuge verbrauchen irre viel Kerosin ... und das alles nur, damit du dich erholen kannst!“


"Achsorichtignaklar!  ... manchmal vergesse ich, in welcher Zeit und welcher Welt du lebst ... entschuldige! Also ... aus deiner Perspektive in deiner Welt hast du vollkommen Recht! Wenn man mit diesen riesigen Metalldingern rumfliegt oder auf dem Wasser rumkreuzfährt und dafür fossile Brennstoffe verballert, als gäb’ es kein Morgen, dann gibt es auch kein Morgen mehr. Dann sollte man sich das schon sehr genau überlegen für was und wie man seinen Carbon-Foodprint belastet. Aber ... in meiner Welt und meiner Zeit haben wir das Problem nicht mehr. Natürlich kann man reisen, wenn man Fortbewegungsmittel geschaffen hat, die keine Ressourcen mehr verbrauchen – ist ja nur eine Frage der Fokussierung in der Forschung. Und dann ist reisen das Beste, was es gibt. Auch Kreuzfahrten! Wenn diese Boote einfach keine Schweröl verqualmenden Riesenmonster mehr sind sondern mit hocheffizienter Hyper-Photovoltaik betriebene elegante Hovercraft-Katamarane ... gute Zwischenlösung. Oder eben gleich Astralreisen – da kann man im Urlaub einfach daheim bleiben.“


„Und das werden wir schaffen? Astralreisen?“


"Hoffe ich, für euch! Wirklich! Wir haben es hinbekommen. Andere Welten haben das geschafft. Eure Version der Welt stellt sich ehrlich gesagt ziemlich zäh an ... aber das hatten wir ja schon ein paar Mal ... und jetzt fragst du: „Und was können wir da tun?““


„Astralreisen?“


"Astralreisen! Aber ... mit Verlaub ... das ist wohl noch ein bisserl kompliziert ... Es wäre schon viel gewonnen, wenn ihr erst mal die fossilen Brennstoffe in Ruhe lasst ... ohweh ... wir haben uns ja wieder mächtig verquatscht!“


Ich kratze mich mit der Hinterpfote am Ohr. Charly dreht sich zu mir um und sagt:

„Montag wieder!“ 

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Freitag, 8. Mai 2020

Heute in einem Jahr - Folge 29: 08.05.2021

Es gibt so Abende und Nächte, da falle ich todmüde ins Bett, das Kissen faltet sich perfekt, ich liege bequem – aber ich schlafe einfach nicht ein. Es fühlt sich so an, als hätte ich verlernt, wie das geht. Das ist irre nervig. Ich habe mir dann angewöhnt stoisch zu zählen: 1 – einatmen – 2 – ausatmen – 1 – einatmen – 2 – ausatmen ... erstaunlich oft klappt das und ich schlafe dabei ein. Diese Nacht anscheinend nicht. Ich mache den Fernseher an und zappe rein. Ok. Was ist denn für ein komisches Programm ... ich sehe mich beim Fallen. Neben mir fliegt im Sturzflug ein blauer Kolibri. Ich biete ihm meinen Flachmann an, aber der Kolibri lehnt ab. Finde ich vernünftig, er muss ja fliegen ... safety first. Ich sehe, wie ich beim Fallen auf dem Flachmann irgendetwas anschaue ... aber der Kamerawinkel gibt nicht her, was es ist ... aber ich weiß es trotzdem. Muss der blaue Post-IT sein, denn das ist ja schließlich mein Traum von letzter Nacht. Was ist das überhaupt für ein Zimmer in dem ich da sitze ... weder mein Schlaf- noch mein Wohnzimmer. Aber ganz schick eingerichtet – ich sehe wieder zum Fernseher. Ich habe aufgehört zu fallen und stehe in Luft. Der Kolibri sagt: „Aber du kannst nicht fliegen!“ Mein Im-Fernseh-Ich sagt: „Ich fliege ja auch nicht – ich schwebe!“ Dann dreht er den Flachmann in meine Richtung um, darauf ist der blaue Post-It:


"Abgefahren, was? Panastrale-Reverse-Dream-Communication. Viel Spaß bei deinem Blick auf den 08.05.2021!
Dein Future-Ich!“


Panastrale-Reverse-Dream-Communication? Wow!
Ich schwebe durch das Forum-Schwanthalerhöhe, die Shopping-Mall, die dort vor gar nicht allzu langer Zeit eröffnet hat. Im Inneren hat sich einiges verändert.  Die ganze Innenbegrünung wurde durch Indoor-Farming ersetzt. Überall sprießen Kräuter, Kirschtomaten und Mini-Gemüse. Einer Info-Tafel entnehme ich, dass auch hinter dieser Geschichte das „GemüseObstKräuterKollektivWESTEND" steht. Ich lese weiter, dass das Indoor-Farming und die zugehörige Bewässerung von "SabPaul - IndoorFarming & Fermentation" stammt. An den Indoor-Farming-Anlagen kann sich jeder frei bedienen und dafür spenden.

In regelmäßigen Abständen gibt es kleine Stände, an welchen man das, was man grade frisch gepflügt hat entweder in Gläser verpacken kann. Für die Gläser gibt es Automaten. Es gibt aber auch Personal, das man ansprechen kann und dann dabei hilft das, was man gerade gepflügt hat zu Pesto oder Kräuterbutter oder was auch immer zuzubereiten und mitzunehmen. Halte ich für eine sehr coole Idee.

Ich fliege noch weiter durch die Gänge. Die Shops haben sich zu meinem letzten Besuch verändert. Viele kleine Geschäfte kamen dazu – sehr viele kleine DIY-Shops, in welchen zum Teil recht seltsame Do-It-Yourself-Produkte angeboten werden.

Passend zu dem ganzen Indoor-Farming fällt mir ein Laden auf, der „Fermenteria“ heißt – dort kann man unter Anleitung frisch gepflücktes Fermentieren und sich dafür eine Lagerfläche mieten. In dem Laden sehe ich Paul, der dem Inhaber des Ladens seinen Fermentationsschrank zeigt.

Paul: „Das Filtersystem im Fermentationsschrank ist so gut, dass da wirklich rein gar nichts raus müffelt. Zusammen mit den selbst entwickelten und patentierten Dichtungen findest du keinen besseren Schrank für Fermentation.“

Ladenbesitzer: „Ich fand den Protoypen ja schon super. Lässt du mir den Schrank die Woche über da? Wenn das so gut funktioniert, wie du sagst, dann nehme ich gleich 4 Stück!“

Paul: „Sicher! Ich stelle dir den hier auf – wenn wir nächste Woche den Workshop machen, dann bin ich mal gespannt, was du sagst! Achja ... ich hab dir hier noch ein paar von unseren gelben Vogelaugen-Chilies mitgebracht ... die habe ich hier in der Einkaufspassage nicht ausgesät ... die sind einfach zu scharf für die Meisten und dann beschweren sich die Ottos wieder.“

Ladenbesitzer: „Bestens – danke dir!“

Freut mich für Paul und Sabine ... scheint zu laufen.

Ich fliege weiter und verharre vor einem kleinen Laden für individuelle Bergtour-Planung. An der Tür sehe ich den Post-It:

„Montag wieder!“

„Wie Montag?“

„Ja, Montag ... ich bin übers Wochenende beim Wingsuit-Skydiving in den Anden ... ich muss mich ja auch mal erholen.“

„Aha! ... Also ... Ja dann mal gute Erholung und viel Spaß!“

Donnerstag, 7. Mai 2020

Heute in einem Jahr - Folge 28: 07.05.2021

Gestern Abend entschlummerte ich nach leichtem Abendessen (Ja, es war die Gigantos-Platte vom Griechen ... und die gemischten Vorspeisen ... und das Mousaka) und einem Krug Felsquellwasser (Ok. Ouzo! Guter Ouzo!) geschmeidig ins Traumland. Federleicht (tatsächlich!) wanderte ich durch einen Wald (Perlacher Forst? Möglich!) und landete auf einer Lichtung. Ich beschloss eine Runde zu Fliegen. Dazu hab ich die Technik perfekt raus – ich trete auf die erste Luftstufe, drücke mich von der locker ab und lasse mich dabei einfach Fallen: Zack! Ich fliege und kann entspannt mit Gewichtsverlagerung steuern. Ich steige hoch und höher in die Luft. Gute, kalte Luft in abendlichem Sonnenschein. Besser geht es eigentlich nicht ... ich werde schneller und drehe ein paar Loopings. Dann beschließe ich einen Kurzflug über München, bevor ich dann vielleicht einfach so noch eine Runde schwimmen gehe. Ich bemerke neben mir einen kleinen Vogel, einen blauen Kolibri, der entspannt aber wahnsinnig schnell flatternd an meiner Seite fliegt.


„Gute Loopings!“ sagt der Kolibri.
„Danke!“ sage ich – und bin ein bisserl stolz. Lob von Fachleuten zählt ja immer besonders.
„Wirklich! Besonders, wenn man bedenkt, dass du ja eigentlich gar nicht fliegen kannst!“ sagt der Kolibri
„Was?“ frage ich.
„Ja! Wie soll das den gehen? Ohne Flügel?“ sagt der Kolibri und zuckt dabei mit seinen kleinen Schultern.
„Da hast du Recht!“ sage ich und stürze ab ... ich bin sehr hoch geflogen ... und falle dementsprechend lange ... auf dem langen Weg nach unten denke ich, dass es wohl vernünftig wäre noch einen Schluck aus dem Flachmann zu nehmen.
„Magst du auch nen Schluck?“ frage ich den Kolibri, der noch immer an meiner Seite im Sturzflug meinen Fall begleitet.
„Nein danke – NIE, wenn ich fliege!“ sagt der Kolibri verantwortungsvoll.

Ich nehme den Flachmann und darauf ist wieder ein blauer Post-It:

"Wirklich gute Loopings! Und lass dich das nächste Mal nicht von einem Kolibri verunsichern. Viel Spaß beim Blick in die Zukunft. Heute ist der 7.5.2021.
Dein Future-Ich“


„Stimmt – verdammter Kolibri!“ sage ich und schaue durch das Fenster, das nun auf dem Post-It erschienen ist.

Ich bin vor einem Museum. Das WdW-Museum ... aha! Ich trete näher und lese die Info-Tafel.


DAS WdW-MUSEUM

WdW. Das steht für „Wissen die Wenigsten“ Der Untertitel des Museums lautet: „Museum für die wirkliche Wahrheit hinter den Dingen“ zeigt schon, in welche Richtung das geht.

Im Frühjahr 2020 begannen in einem irren Ausmaß Verschwörungstheorien um sich zu greifen. Das freie Künstlerkollektiv M&S hat all diese verschiedenen Strömungen des Irrsinns zusammengetragen und in einer interaktiven Ausstellung aufbereitet. In einem virtuellen Raum kann man in einem ganz neuartigen Diskussionsspiel aus der Egoperspektive bei der Diskussion mit Verschwörungstheoretikern verzweifeln (der aktuelle Rekord bis zum verzweifelten Abbruch des Gesprächs: 7 Stunden 42 Minuten). In einem weiteren interaktiven Spiel kann man seine eigene Verschwörungstheorie spinnen – die beste wird Ende dieses Jahres beim Internationalen Wettbewerb „The Platinum Helmet“ gekürt.

In einem eigenen Raum gibt es eine wissenschaftliche Aufbereitung über das entstehen von Verschwörungstheorien aus psychologischer Sicht und eine historische Aufbereitung von Verschwörungstheorien.

Viel Spaß in dieser bunte Welt der kreativen Erklärungsversuche für schwer zu verstehende Zusammenhänge!

Der Bürgermeister


Das klingt aber enorm interessant. Ich betrete das Museum. Der erste Raum ist Bill Gates gewidmet. Sehr lustig gemacht. Bill morphed dann in einer sehr gut gemachten Holographie in einen Reptiloiden und im nächsten Raum crashed dann die Theorie der Hohlerde irre gut mit der Flat-Earth-Theorie zusammen, das ganze aufbereitet in einer surrealen Foto-Strecke. Ein paar der Texte an der Wand kommen mir komischerweise sehr bekannt vor.

Ich beschließe einen kurzen Abstecher in den Raum der Erklärungen zu Verschwörungstheorien – in einem kleinen abgedunkelten Mini-Kino läuft ein Interview-Film auf Dauerschleife. Es spricht ein Psychologe, der sich dem Phänomen mit seinen Forschungen zugewendet hat – ich höre mal rein.

„ ... man könnte das ungefähr so sagen: Es sind zumeist nicht die hellsten Kerzen am Baum und nicht die knusprigsten Chips in der Tüte, die sich in Verschwörungstheorien hinein steigern. Ganz grob und hart gesagt: Es sind die Dummen und die Hässlichen, die, denen in ihrem Leben ganz oft Halt, Bildung und Bestätigung fehlt. Ganz oft geht das ganze mit dem Dunning-Kruger-Phänomen einher, welches das Phänomen beschreibt, dass viele besonders inkompetente Menschen ihre eigene Inkompetenz nicht feststellen und darüber hinaus dazu neigen, ihre oft nicht kompatible Sicht der Dinge für besonders kompetent zu halten - sie halten sich also für viel schlauer als sie sind.
Eine weitere Ursache ist, dass gerade diese Menschen ein großes Problem mit Ambiguitätstoleranz zurecht zu kommen. Das bedeutet: Sie sind nicht in der Lage auszuhalten, dass es durchaus existentielle Fragen gibt, auf die es keine eindeutige Antwort gibt. Das auszuhalten bedarf einer gewissen Reife im Geist – wer diese nicht hat sucht krampfhaft nach Erklärungsmustern und findet diese dann in geschlossenen Verschwörungstheorien, in denen es auf jede Frage eine klare Antwort gibt, egal wie bescheuert die ist. Eine weiterer Effekt ist, dass die Abgehängten und am Rand der Gesellschaft stehenden, damit ein Mittel der Erhöhung haben: Sie haben den Schlüssel zu einem Wissen gefunden, dass die anderen nicht haben. Beruhigend konnten wir feststellen: Die Verbesserungen im Sozial- und Bildungssystem haben diese Szene stark ausgedünnt.
Es bleibt weiterhin ...“

Ich verlasse das kleine Kino wieder und gehe vorbei an einer Galerie, in welcher alle Verschwörungstheorien im 140-Zeichen-Twitter-Format an der Wand hängen und bei einer Berührung des Tweeds in einem multimedialen Hologramm aus Bildern, gesprochenen Texten und Filmausschnitten aufbereitet erscheinen. Cool!

Ich bleibe in einem weiteren Raum an einem Text stehen, in welcher es um eine Verschwörungstheorie geht, nach welcher riesige Oktopoden das Geschick der Welt lenken. Das liest sich wieder sehr vertraut ... sehr vertraut ... das liest sich irgendwie nach ... da sehe ich den Post-It:

„Morgen wieder!“
Weiter mit Folge 29