Freitag, 22. April 2016

Retroschmecktive: Veganes Israelisch-arabisches Crossover

Schalömmchen und مرحبا !

Der 20. April ist ja so ein Datum. Ein Datum, an dem viel hinterwäldlerisches Deppengezücht Fahnen hisst und es in einschlägigen Doppeltrottellokalen alle Gerichte zu 8,88€ gibt, zum Gedenken an den seltsam beschnauzten Scheitelträger, dessen schwer verwirrtes literarisches Werk grade unlängst in kommentierter Form erschien. Mein Krampf. Ernsthaft - ich meine, in das Buch muss jeder mal reinlesen. Nicht wegen der Erkenntnisse darin, sondern wegen der irren Menge an gequirlter Grütze in einem furchtbaren Gefasel und grausigem Stil.
Und jener Braunliebhaber aus Braunau am Inn, mütterlicherseits ein Schicklgruber vor dem Herrn, war VegetArier, angeblich nicht nur wegen des Wortlauts und der damit verbundenen Nähe seines bizarren völkischen Ideals, sondern zur Magenschonung und der Darmkrebsprophylaxe.

Wegen dieser Koinzidenz überlegte ich kurz in einem Anfall von komplett übersteigerter political correctness, ob es denn opportun sei, an einem solchen Tag ein vegetarisches Event zu zelebrieren. Hat man ja manchmal, solche Überlegungen, bei denen man dann beim Überlegen schon denkt "Was denke ich da eigentlich grade?" und kam dabei zu folgendem Schluss:

Na klar! Und nicht nur vegetarisch sondern vegan und zudem auch noch jüdisch/israelisch in einem völkerverständigenden Crossover mit arabischer Küche. So.

ÜBRIGENS - für Freunde des überambitionierten Subtextes: Dieses Bild ist mit einem Aquarellfilter bearbeitet. Schweinelustig! (*öttel*)

Ich bedanke mich bei dem kleinen, aber ausgesucht fantastischen Publikum für die Partizipation und den ausnehmend schönen Abend!

Schauen wir mal auf die Teller.

Zum snackenden Start und als dippigen Aperitifbegleiter gab es zweierlei Hummus, klassisch und mit Avocado. Es folgten drei gecrossoverte Gänge mit begleitenden Alkoholika.

DER ERSTE GANG

Tabouleh mit Pinienkernen und GranatApfel, Baba Ghanoush, BohnenPü und geröstetes Fladenbrot
Tabouleh = Ein CosuCous-Salat, den man überall im nordafrikanischen Raum findet. Mit viel Minze und Petersilie und in der hier timbalisierten Form noch verfeinert mit Pinien- und Granatapfelkernen.

Baba Ghanoush = Eine AubergienSesamCreme, bei der man als zentrales Element die Aubergine erst grillt, dann das Fruchtfleisch auskratzt und dieses mit Tahini (Sesampaste) vermischt. Eine Spur Knoblauch. Dann noch etwas mehr Knoblauch. Alles püriert und dann bereit für die Individualisierung durch Würzung.

BohnenCreme = Bohnen und Dipps oder Cremes daraus findet man in der arabischen und israelischen Küche häufig. Diese hier bekam ihren Charakter durch einen Hauch Vanille und etwas Ras el-Hanout Gewürz. 

Dazu trinken wir einen sensationellen Weißwein - den Edelsatz von Philipp Kuhn, eine Cuvée aus 70% Gewürztraminer und 30% Riesling. Opulent, mächtig, trotzdem finessenreich und ein sauberer Begleiter zu den ganzen Gewürzen auf dem Teller.

Was für ein tolles Weinchen.
DER ZWEITE GANG

Der Iman fiel in Ohnmacht. Tscholent! Gesundheit!
Der Iman fiel in Ohnmacht: İmam bayıldı ist ein vegetarisches Gericht au der türkischen Küche. Eine Gefüllte Aubergine mit viel Zwiebeln und Tomaten. Der Legende nach hat der Imam, als er das Gericht das erste Mal kostete, so viel davon gegessen, dass er umfiel - allerdings hat das Wort bayıldı im türkischen meinen etymologischen Forschungen nach eine doppelte Bedeutung, nämlich a) in Ohnmacht fallen und b) entzücken. Da legst di nieda!

Tscholent: Das ist ein urjüdisches Gericht, welches traditionell am Schabbat gegessen wurde und schon Freitags auf den Herd kam. Also langelange vor sich hin schmorte. Natürlich hat hier jede Familie ihr eigenes und alleinig richtiges Originalrezept. Eh klar. Traditionell schmoren in dem Gericht auch Fleisch und Markknochen - in meiner veganen Form sind statt dessen Süßkartoffeln mit drin.

DER DRITTE GANG

SchokoBaklavaStrudel, geröstete Nüsse, PassionsfruchtSchaum und MangoSorbet.

Beim Dessert ging es mit weniger um Typizität, sondern eher um Leichtigkeit und Freiheit. Baklava, dieses super süße und siruptriefende Dingens aus Nüssen, allem Zucker der Welt, noch mehr Zucker und Teig, ist sehr mächtig. In diesem Nachtisch wurde die Butter durch wenig leichtes Zitronenöl ersetzt, der Sirup fast gänzlich weggelassen, der Zucker radikal reduziert und dafür mit kantegebender Bitterschoki angereichert. Der Passionsfruchtschaum war leicht prickelig angelegt und das Sorbet schön smooooth.

Hat mir großen Spaß gemacht und ich sehe noch weitere Ausflüge in die Küche des Orients.

Der nächste VeganWednesday ist am 22.06.2016 um 19:00 Uhr - Alle weiteren Infos gibt es HIER!



Sonntag, 17. April 2016

Retroschmecktive - Italienreise mit Goethe

"Aber kein Genuss ist vorübergehend, denn der Eindruck, den er hinterlässt, ist bleibend." So schrob es der Dichterfürst in seinem Wilhelm Meister 1795 und hat damit wie üblich recht.

Und nichts weniger wollen ja auch wir im MEATINGAUM, nämlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen an ein kulturinarisitsches erlebtes Kleinod, welches jedem der Sinne über den Abend verteilt mal einen zärtlichen Stupser verpasste. Wir begannen mit dem Stupsen bei einem Plaisir für das Geäug, denn so verlangt es der GRÖFAZ (Größte Frankfurter aller Zeiten): "Das Essen soll zuerst das Auge erfreuen und dann den Magen."

So begaben wir uns denn auf des Geheimrats Spuren auf eine gastrosophische Reise durch den Schuh des Südens, begannen aber aperitifal heimatverbunden im Hessischen. Im Rheinhessischen, um genau zu sein, mit einem Fritz Müller (Fritz für Frizzante und Müller für Müller-Thurgau).

So eingeprickelt (ja, das ist ein "c" vorm "k" ... kein "n" ... also entschuldigen sie mal ... dann schauen sie doch auch richtig hin ... also Leute gibt es ...) ging es dann zu Tisch, wo die Reise der Papillen begann.

"Die Jugend verschlingt nur, dann sauset sie fort;
Ich liebe zu tafeln am lustigen Ort,
Ich kost' und ich schmecke beim Essen."
JWvG

Damals mit Joe in Italien. Prost.
Wir eröffnen mit Antipasti und Fisch und versuchen dabei, grade zum Auftakt das Menüs, das vom Großkreuzträger des Weimarischen Hausordens geforderte Gefallen des Auges zu treffen, dabei aber auch dem Geschmack in mannigfaltiger und erquickender Form zu huldigen.

Törtchen aus Zucchini, Aubergine und Paprika mit gebratenem Seehecht und Zitronenöl, zum weiteren optischen Erfreu zieren Wildblüten das Aufgetellerte.
Der dazu gereichte Wein stammt vom ziemlich neuen Bio-Weingut Villa Caviciana und huldigt seinerseits Goethe. Der Filippo erhielt seinen Namen daher, dass Goethe bei seiner Italienreise inkognito reiste und sich dazu Johann Philipp Möller nannte. Und eine Liebschaft, der Johann in Rom beilag, nannte in darob liebevoll Filippo. Der Filippo als Wein ist eine Cuvée aus Chardonnay und Sauvignon, die zart und sublim daher kommt und mit feiner Säure mephistoesk die 13,5% Alkohol kaschiert.

Weiter ging die Reise etwas rustikaler, mit einem Duett aus der Welt der Pasta. In den Nudelwettstreit ziehen ein zum einen eine Lasagne mit einem über vielevieleviele Stunden eingekochten Sugo, deren geschmackige Mitte ihre Aromentiefe aus der trainierten Wade eines in glücklicher Selbstverwirklichung aufgewachsenen Pfälzer Aberdeen Angus-Rindes zog. Und zum anderen eine besonders grün leuchtende Spinat-Fettuccine, die in ihrem Grünsein von einem intensiven Bärlauch-Haselnuss-Pesto Zuspruch erhielt. Weil es zur Pasta so schön passte, paarte hierzu weiter der Filippo.

Rustikal ragout es in der Lasagne und dabei grünt es so grün im Gewirr der Fettuccine.
Nachfolgend ging es hernach weiter mit einer eigenen kleinen Italienreise auf dem Teller, quasi eine kulinarische Selbstreflexion des Geschehens oder eine Spiegelung des Passierenden in einer inversen Ellipse, wenn Sie so wollen.

Im Hauptgang vereinen sich buttrige Salbeikartoffeln, die so wunderbar aus Norditalien stammen könnten mit einer Caponata, dem klassisch süßsauerscharfen Gemüseeintopf Siziliens, einem Ratatouille nicht unähnlich, mit einer Hasenkeule, lange und sanft geschmort in Prosecco mit Zitrone, Kräutern und Milch, ganz ähnlich der Art, wie man sie im Trentino findet.

Meister Lampe, an Knolle und Caponata.
Der Wein dazu stammt wieder von der Villa Caviciana und verweist auf schon obig erwähnte Liebschaft. Der leidenschaftliche Hobbygeologe und Aquarellist widmete sich auf seiner Reise nicht nur der faszinierenden Steinwelt, sondern auch der adretten Kellnerin Maddalena, so schrieb er doch: "Ein starkes Bier, ein beizender Tobak und eine Magd in Putz, das ist mein Geschmack."

Eben jene, da er sie aus welchen Gründen auch immer nicht Mephista nennen durfte oder nennen wollte, nannte er Faustina, um auch ihr die geheime Welt des Inkognitos zu zeigen und Verabredungen eine brave Unverfänglichkeit zu geben.

Der Wein, Faustina, ist eine wahrlich faszinierende Assemblage aus Sangiovese, was der Region huldigt, und Tannat, der große Rebe aus dem kleinen Anbaugebiet Madiran in Südfrankreich, welche Weitsicht und Kennerschaft in diesen Wein bringt und ihn zu einem wirklich runden und überaus köstlichen Wein werden lässt. Dunkel, intensiv, lang anhaltend mit einem feinen Spiel der beerigen und tanninigen Aromen - in Strömen soll er fließen, denn, so sagt der Freizeitfarbpsychologe Wolfgang: "Solange man trinken kann, läßt sich´s noch glücklich sein."

Zum Nachtisch war leider der Film voll, die Kamera außer Reichweite, die Verputzungsgier größer als das Dokumentationspflichtgefühl und der Löffel schneller als der Fotofinger. So denn unbefotot das Dessert in der Beschreibung:

In einem Glas stapelt sich tiramisuesk zunächst und zuunterst ein Biskuit, getränkt mit nussernem Geschnäps, darauf dann Beeren (Brom, Him und Johannis) sowie MiniKiwi, hierauf eine Creme aus Mascarpone, Macadamia und Joghurt, darüber ein knusprig Gekrümel aus Cantuccini und Amarettini, zum Schluss kapuziniert mit einer Haube aus Limoncelloschaum. 

Und dazu ins Glas kam der rote Süßwein von Villa Caviciana, der nun benannt nach dem echten Namen der römischen Liebschaft des begnadeten Thermometristen, Maddalena nämlich, auch aus der echten, weil autochtonen Rebe der Region gemacht wurde: Aleatico. Als würde man eine Schwarzwälder Kirschtorte trinken.

Fritzi, Flip und die Ladys.
Und mit ein paar Grappa ging er dahin, der Abend und das Erleben des Moments transformierte mit jedem weiteren Atemzug mehr zur Erinnerung - oder, wie es der hessische Tassologe und Tuschezeichner formvollendet formulierte: "Halte immer an der Gegenwart fest. Jeder Zustand, ja jeder Augenblick ist von unendlichem Wert, denn er ist der Repräsentant einer ganzen Ewigkeit."

Mahlzeit!

noch nicht genug gelesen? Dann hier weiterlesen über unseren Toskana-Abend!

Steht ihnen nach der Lektüre der unbedingte Sinn danach einmal bei einem solchen Abend Partizipient zu sein und in der Mittigkeit aller Geschehnisse vollends in den Genuss zu tauchen? So zögern Sie keine weitere Sekunde und schauen Sie in den Reigen des Geplanten, was gar vorzüglich funktioniert durch einen Klick auf das unterstrichene und in Kapitellen geschriebene und mit einem Ausrufezeichen abgeschlossene Wort HIER!






Freitag, 15. April 2016

Retroschmecktive - Toskana

Leckomio, was für ein Abend. Wahrlich große Oper mit praktizierendem Heldentenor, intensiv, voller Leben und über allen Erwartungen ausschweifend. Leidenschaft am und auf dem Tisch. Wunderbar! Die große toskanische Runde hatte Spaß - besten Dank, feiernde Menschen für dieses Füllhorn voller fantastischer Schwelgerei. Brachial. Kann man so eigentlich gar nicht unter der Verwendung des rein geschriebenen Wortes wiedergeben, dafür war das alles ein zu sehr ziseliertes Kaleidoskop der Eindrücke. Von daher halte ich mich in Sachen Retroschmecktive nüchtern (? ... nüchtern ... naja ... im Rahmen den Möglichkeiten ... ) an die Nacherschmeckung der Menüfolge.

das Menü
Beim Aperitif begannen wir klassisch, Prosecco mit einem Schuss Sanbitter. Dieser weckte die Geschmacksknospen und machte bereit für den ersten Gang: Tris die Crostini. Leider hat es von diesen drei kleinen Schweinereien kein einziges auf ein Foto geschafft - zu schnell weg, waren sie. Das Dreierlei stellte sich zusammen aus:

  • Lebermousse mit SternanisZwiebeln und Grappa
  • frischem BärlauchPesto
  • TomatenGelee mit ZiegenRicotta und Basilikum
Dazu in Glas kam ein ausnehmend frischer Chardonnay aus Bolgheri. Bolgheri ist ein vergleichbar winziges Anbaugebiet in der Toskana aus welchem überproportional viele tolle Weine kommen, darunter zum Beispiel auch der berühmte und oft gefälschte Sassicaia.

Wir halten uns an die klassische Menüfolge und lassen den Crostini, die wir mal als AntiPasti laufen lassen, die Pasta als primo piatto folgen:  Pappardelle con Sugo.

Das Sugo, eine kräftige Tomatenfleischsoße ist über rund 8 Stunden mit sehr viel Wein, Gemüse, noch mehr Gemüse und reichlich Kräutern ... und einem halben Pfund Butter ... genüsslich eingeköchelt und hatte als fleischiges Herzstück die mächtige Wade eines Aberdeen Angus Rindes, das auf den toskanahügelgleichen Weiden der Pfalz zu delikater Bioqualität wuchs.

Pappardelle con Sugo
Beim begleitenden Wein griffen wir zu einer wuchtigen Doppelmagnum Rosso Moreccio von der Casa di Terra, ebenfalls aus Bolgheri. Die atypische Traubenmischung (Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah) lässt trotzdem die Region durchschmecken und zaubert trotz Abwesenheit in der Flasche sangiovesige Kirscharomaangklänge auf die Zunge und punktet weiterhin mit weichen Tanninen und vanilliger Eleganz.

Als secondo piatto ging es dann weiter mit einem der ikonenhaftesten Gerichte der Toskana, der Bistecca Fiorentina. Wir servieren sie mit grünem Spargel mit Zitronenzesten, getrüffelter Polenta und einer Chianti Jus.

Der Spargel ist schon soweit
Die Bistecca hat ihre Zielkerntemperatur von 62° C erreicht und wartet nun auf ihren Einsatz.
Im Arrangement Wildblüten
BisteccaPhalanx
Dazu ziehen wir wie versprochen was Altes auf - eine Doppelmagnum eines Piemontesers, Jahrgang 1980, 8 Jahre älter als die jüngsten Gäste am Tisch. Und wie so oft bei altem Wein hat er mit einem jungen Wein, wie man ihn kennt und gewohnt ist, nicht mehr viel zu tun. Er ist stark eingetrübt, bräunlich und hat intensive Sherry- und Madeiranoten entwickelt. Diese passen allerdings wirklich spannend zu der getrüffelten Polenta und der Zitrusspur am Spargel.

Die beiden roten des Abends beim Fachgespräch. 


Wir beenden das Menü mit einer weiteren Interpretation eines italienischen Klassikers: Cantuccini mit Vin Santo. Das kann es als Aperitif oder Dessert geben und man dippt dabei den harten Mandelkeks in den Süßwein. Unsere Interpretation toppt den Mandelkeks mit einem MacardamiaMascarponeSchaum, dazu gemischte Beeren und eine LimoncelloCurd (Was oder wer eine Curd ist, das kann man hier erfahren). Und begleitend dazu gibt es einen Vin Santo.

Him-, Brom-, Blau- und Gojibeeren in einem leichten LimoncelloDressing
Das Dessert
Il dolce
Viva Toscana! Italienisch geht es am 16.4. weiter - da schmecken wir Goethes Italienreise hinterher, dazu gibt es Text und wirklich herausragende Weine. Letzte Chance nutzen und jetzt Plätze reservieren.