Montag, 29. Dezember 2014

Family-X-Mas-Dinner - kleine Rückschau

Alle Jahre wieder, am zweiten Weihnachtsfeiertag, versammelt sich bei uns dahoam traditionell die Familie. Um den Tisch scharen sich Brüder und Cousins mit ihren besseren Hälften, Großeltern, Onkel, Tante, 16 Leute insgesamt. Und das nun schon seit einer runden Dekade. Und seit 10 Jahren bekochen meine oben erwähnte und glücklicherweise kochverrückte Tante und moi die ganze Baggage. Großartige Tradition, jede Menge Spaß und Fluten von Wein. So auch dieses Jahr!

Was gab's denn?

Wir begannen mit einem Aperitif - Prosecco mit MangoSchaum. Um entspannt Weihnachtsstimmung zu induzieren.

Cheers!
Die kulinarische Reise startet dort, wo eh alles begann. Im Meer. Der erste Gang ist Fisch - eine Allegorie der Menschwerdung (... gut, das ist ... sagen wir ... dramatisiert ... klingt aber bedeutungsschwer, müssen Sie zugeben ...). Gebeizte Scholle und RäucherfischMousse auf Wintersalat in BirnenSenfJohannisbeerBalsamicioDressing. Mit Nüssen und Blüten.

WinterSalate, Paranüsse, Fisch in Beiz und Mousse
Danach wird es italienisch. Der Balsamico des Salatdressings übergibt das Staffelholz an das Topping des nächsten Ganges - eine süßsäuerliche BalsamicoReduktion. Diese toppt auftragsgemäß ein PastinakenRisotto, das auf einer BalsamicoCreme ruht - dabei wird der Balsamico beim Toppen von einem Hauch Parmesan und pulverisierter ValrhonaSchoki unterstützt.

GemüseRisotto, ParmesanCreme, BalsamicoReduktion, Schokolade
Weiter geht es mit einem Süppchen. Eine asiatisch angehauchte Entenconsommé, mit einer reichhaltigen Einlage aus Entenfleisch, MiniMais, ThaiSpargel und Koriander. Darin weihnachtliche Aromen in neuem Kontext. Sternanis und Piement - aber in herzhaft und in der Gesellschaft von KaffirBlättern und Chili. Und tatsächlich sagte Omma: "So ä guudi Supp!" - und das ist ein adelnder Ritterschlag.

Die guud Supp

Der Hauptgang: klassisch. Roastbeef. Grateng. Winterwurzelgemüse.
Unklassisch: Schokoladensoße.

Das Roastbeef wurde in Entenschmalz scharf angebraten und dann über ca. 5 Stunden bei 80° C auf eine Kerntemperatur von 60° C gebracht. Der Bratensatz wurde mit Port und Rotwein gelöscht und die Soße mit dunkler Schokolade gebunden. Das Wintergemüse: Karotten, Pastinaken und Gelbe Beete (die ist nussiger und etwas feiner im Geschmack, als ihre rote Schwester - und nicht so erdig).

Roastbeef, Schokosoße, Wintergemüse, Grateng
Beim Dessert trafen sich ein AppleCrumble mit einem ZimtGewürzParfait und einem Salat aus Ananas, Mango, Blau- und Johannisbeeren in einer Portweinreduktion. Garniert mit zerstäubten Vanillekipferl und einem MadagaskarVanilleSalz.

Schlussakkord in dolce
Dazu rannen rund 20 Flaschen Wein die Kehlen hinunter - und das mit hervorragenden Haltungsnoten. Gute Leistung am Glas, liebe Familie! Da freue ich mich schon auf die nächste Runde, nächstes Jahr!


Montag, 22. Dezember 2014

Nachlese: 4. Alternativer Advent - DINNER

Kaum zu glauben, aber das war er nun schon. Der 4. Advent. Der letzte kulinarische Kulturabend vor Kemmlers Kamin. Rasend schnell verging der Monat und rasend viel Spaß haben die Veranstaltungen vor flackerndem Feuer gemacht. Danke an an all die Gäste, die dabei waren und besonderen Dank an die Serientäter, die alle 4 Abende mitgemacht haben.

Beginnend mit einem audriesken Frühstück am ersten Advent folgte in der Serie ein Grenzerfahrungslunch zum zweiten und eine ganz besondere Teatime am dritten Advent.

Der Schlussakkord der Serie nun also das Dinner, das sich in seinem Ablauf und seinen Darbietungen eisenhart an Dinner For One orientiert.


Neben szenischen Lesungen des Originaltextes und verschiedenen hochspannenden Variationen des selben aus einem japanischen, österreichischen und schottischen Paralleluniversum, in welchen der ganze Verlauf der Geschichte mit einem Schwerpunkt auf unterschiedliche Facetten neu beleuchtet wird, in dem etwa die Gender-Thematik dekonstruktiviert wird oder der Verlauf der Speisefolge eine poetische-analytische Aufdröselung erfährt, legen wir sklavisches Augenmerk auf die Einhaltung der Originalspeisefolge und ihrer individuell-exzentrischen Getränkekombination.

Um die Gefahr des möglicherweise tödlichen Fressenfalls durch Auslegetierstolperung zu minimieren musste der Bär leider weichen. Aber wir sehen uns in der Pflicht unsere Gäste zu beschützen - und bei der unvernünftigen Menge Alkohol, die wir gedenken den Kehlen der Anwesenden zuzuführen war diese Sicherheitsmaßnahme ein schlichtes Gebot der Vernunft.

Eisbär in Sicherheitsverwahrung
Bevor wir in die offizielle Folge des Menüs einsteigen grüßen wir wieder aus der Küche und lassen ein Prost mit einem Tom Collins im Glas erklingen.

EXKURS - So mixe ich einen Tom Collins (für 2 Personen ... oder eine große durstige ... ):

12 cl Gin (einen Old Tom oder einen Beefeater oder einen Brokers)
4 cl Limettensaft
4 cl Zitronensaft
4 cl Zuckersirup
All das im Shaker auf Eis shaken und durch das Barsieb in ein mit Eiswürfeln gefülltes Longdrinkglas geben. Mit Soda aufgießen (ca. 4 bis 8 cl). Der Spaß kann beginnen!

Der Gruß aus der Küche ist besonders englisch und verfolgt den Zweck die Papillen mal ordentlich durchzuwirbeln. Ihnen einen ordentlichen Tritt zu verpassen und anzubrüllen: "Ey! Aufwachen! Es geht los!" Um so einen papillaren Wake-Up-Call hinzubekommen bedarf es krasser Aromen - und dazu eignet sich vorzüglich die englische Käse-Ikone: Stilton. Ein hinterhältiger Blauschimmelkäse.

Er kommt hier als Dreierlei auf den Teller:
  • Cucumber-Sandwichelchen mit Frischkäse und Stilton
  • Cracker mit StiltonMascarpone, SenfFeige, PortweinGelee und dunklem Kakao
  • StiltonTraubenAufstrich auf BrezenChip mit kandierter Zwiebel
Der Gruß in Theorie und Praxis
Die GrußPhalanx
Die Papillen schütteln sich kurz, blicken sich irritiert um und wissen nicht genau, was ihnen grade widerfahren ist. Sie klammern sich an einen Schluck vom Tom Collins. Auf jeden Fall sind sie nun wach. Und bereit. Bereit für den ersten Gang der offiziellen Menüfolge.

Gang 1 - MulligatawnySoup

Miss Sophie: Thank you, James. You may now serve the soup.

James: The soup, thank you very much, Miss Sophie, thank you. They are all waiting for you. Little drop of mulligatawny soup, Miss Sophie?

Miss Sophie: I am particularly fond of mulligatawny soup, James.

James: Yes, I know you are.

Miss Sophie: I think we'll have sherry with the soup.

Sherry with the Soup. Aber gerne. Das klingt irre. Machen wir. Sherry kennen wir ja eigentlich nur noch als Aperitif. Als Essensbegleiter findet man den Sherry aber nur noch höchst selten bei exzentrischen Sommeliers. Aber zu der Suppe, da passt der Sherry ganz ausgezeichnet.

Die Mulligatawny ist eine englische Suppe inspiriert von indischen Kolonialaromen. Im Ursprung war die Suppe einfach eine scharfe Brühe, in die man vorhandene Reste gegeben hat. Bei unserer Variante wählen wir einen Cappuccion-Ansatz. Es werden Linsen, Äpfel, Mango und viel Gemüse mit Hühnerbrühe und einem Schuss Sahne zu einer cremigen Suppe püriert, gewürzt mit Garam Marsala, Kreuzkümmel und Koriander. Gekrönt mit einem Muskat Milchschaumhäubchen und ergänzt durch eine Knusperstange mit Linsen und Schafskäse.

MulligatawnyCappuccino mit Stangerl
Gang 2 - The Fish

Miss Sophie: You may now serve the fish.

James: Fish. Very good, Miss Sophie. Did you enjoy the soup?

Miss Sophie: Delicious, James.

James: Thank you, Miss Sophie, glad you enjoyed it.

James hobbles over to the serving bar, once again stumbling over the tiger head. Takes the fish over to Miss Sophie.

James: Little bit of North Sea haddock, Miss Sophie.

Miss Sophie: I think we'll have white wine with the fish.

Weißwein zum Fisch. Schlüssig. Klassisch. Da folgen wir.

Wir zelebrieren very british Fish & Chips with a Twist. Unser Fisch kommt in einer enorm leichten BierPanade daher, die KochKollegeKemmler in einem sinnlichen Akt mit Passion erschuf - wie sie sehen:


Dazu gibt es leckere Süßkartoffelstäbchen, eine WasabiRemoulade und Minzerbsen.

Die Fish&Chips-Variante 
Als Weißwein gab es einen schön süffigen Riesling aus der Pfalz.

Gang 3 - The Bird

Miss Sophie: Please serve the chicken!

James: Ya...

James stumbles over to the serving bar, tripping over the tiger head. He brings the chicken to Miss Sophie, wobbling as he does so.

Miss Sophie: That looks a very fine bird!

James: That's a lovely chu... chuk... chicken, that I'll tell you, a lovely...

Miss Sophie: I think we'll have champagne with the bird!

James: Champagne, ya... Same, same prosheeed-ure as last year, Miss Sophie?

Das ist eine skurrile, aber nachvollziehbare Entscheidung. Wir köpfen eine Magnum Louis Roederer zum Vogel. Und der Vogel ist eine niedrigtemperaturgegarte BioPute - davon die stattliche Brust. Gegart in einem Sud aus grünem Tee und Weißweinmit einem ordentlichen Geknoll an Knoblauch. Aus dem Sud entsteht dann ein schön buttriges Sößchen. Dazu zweimal Bohne: Einmal als weißes BohnenPü, einmal als grüne Bohnen mit Bacon. Denn alles ist besser mit Bacon.

The Bird
Und der Schampus hat viel Spaß mit Soße und Fleisch und auch das Pü passt gut zum Geprickel.

Gang 4 - Fruit

James: Would you like some fruit?

Takes a fruit plate over to Miss Sophie, zooming past her and half-way up the stairs, then back down to her.

Miss Sophie: I think we'll have port with the fruit!

James: Oh, no! Sa... same procedure, sa... same procedure as last...

Miss Sophie: Yes, the same procedure as every year, James!


James gets the bottle of port and returns, shakily, to the table. He has difficulty pouring the port, sloshing it all over as he attempts to pour for Miss Sophie and her guests. Finally, he takes a swig from the bottle as he hops over the tiger head. He then returns to the table, wobbily.

Wir bringen in diesem Gang Portwein und Obst ganz nah zusammen und servieren:
  • AppleCrumble mit einem Schuss weißen Port
  • Obstsalat in einem PortErdbeerDressing
  • PortweinGewürzEis
Port & Fruit
Und das war der letzte Gang der Alternativen AdventSerie vorm Kamin.

Mit ein paar Whiskeys lassen wir es vor dem Gebrassel des Feuers ausklingen.

Zum Verweilen und kontemplativen Verharren anregend.
Frohe Feiertage!


Freitag, 19. Dezember 2014

AuswärtsEssen: Tian

Das Tian am Viktualienmarkt ist nagelneu. Eröffnet wurde es grade erst am 18. November 2014. Obwohl es erst seit rund 4 Wochen die Pforten auf hat läuft es in Sachen Küche und vor allem in Sachen Service wirklich sehr geschmeidig. Chapeau!

Das Interieur ist gediegen uns stylisch ohne overstyled rumzunerven - geschmackvoll. Die Sitzinseln im zweiten Teil des Restaurants dämpfen den Schall und ermöglichen auch bei vollem Laden entspannte Konversation ohne Brüllnotwendigkeit und vermitteln gleichzeitig unaufdringlich Privatheit.

Auf der modernen Karte kann man entweder eines der beiden in Sachen Gängemenge skalierbaren Menüs ("Dahoam/Heimat/Ursprung" heißt das eine "Emotion/Impuls/Instinkt" das andere) wählen oder aus einem Gängebaukasten selbst kombinieren. Dabei gibt es auch eine kleine Albatrüffelkarte - das ist schön saisonal. Und mit Trüffel. Und das ist gut! :-)

Schauen wir auf ein paar Gerichte:

Erster Gruß aus der Küche: RoteBeete, Quinoa, was war das nochmal für ein Schaum?, knusprige Kerne - Lecker!
zweiter Gruß aus der Küche: falsche Auster mit mildem Ziegenfrischkäse.
Rote Beete, Miso, weiße Zwiebel, Sake - mild erdig, fein säuerlich, perfekt zusammengeführt durch milden Miso
Waldpilzravioli, Kerbelschaum, ApfelSesamSalat - sehr harmonisch, der Nudelteig ist ein Hauch zu dick, die Füllung der Hammer - der Kerbelschaum hat trotz der Luftigkeit eine erstaunliche Geschamckstiefe
KräuterEi, Blumenkohl, schwarzer Trüffel - das Ei ist außen top knusprig gebacken und aus dem inneren läuft keck der Dotter - das zu Blumenkohl und Trüffel - yummy!
gebackene Maispolenta auf Sonnenwurzelpüree mit Schnittlauch mit schwarzen Linsen - die Soße der Linsen hat eine mächtige Umami-Tiefe, die Polenta ist außen knusprig und schön zart im Inneren - Prädikat: saugut! 
Top Weinchen aus dem Burgenland: Cuvée aus Blaufränkisch, Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon und Merlot.
gebackenes SteckrübenPü mit Allerlei von der Karotte und Romanesco
Vacherin Mont-d'Or, zart gegarte Kartoffeln und Kürbis - ein Hammer in Sachen Cremigkeit.
Felchlin Arriba 72%, Passionsfrucht, Kokos - Das Passionsfruchtsorbet alleine ist grandios, zusammen mit der dunklen Schokoladengarnach und dem Schokokuchen ist es nahezu magisch.
Mandel, Apfel, KaramellSemiFredoKugel und Blutorangensorbet - eiderdaus. Auch ein top Dessert.
Was wirklich alle Gerichte sehr gut hinbekommen, das ist das Spiel der Texturen. Cremigkeit und Knusprigkeit geben sich die Hand. Die Aromen sind extrem gekonnt balanciert und die Geschmackstiefe ist verblüffend.

Und wer die ganze Zeit dachte "Da fehlt doch irgendwas - was fehlt da denn nur?" - Ja, da fehlt was! Fleisch fehlt da! Nur, dass es nicht fehlt. Der vegetarisch-vegane Ansatz des Tian geht vollends auf und das ohne seltsame Fleischersatzgeschichten. Die Konzentration auf regionale und saisonale Gemüse und Früchte macht irgendwelchen Fleischersatz unnötig.

Wer dann sagt "Mei, für kein Fleisch, da sind die Preise aber ganz schön heftig!" (3 Gänge: 37 € / 6 Gänge: 57 €) - Dem antworte ich: Nö! Wenn man einfach mal Fleisch, Fisch, Gemüse und Obst gleichberechtigt als Lebensmittel betrachtet und mit dem Ansatz essen geht, dass man kreatives, nachhaltig produziertes, gesundes und vor allem leckeres Futter vorgesetzt bekommt und dafür einen fairen Preis bezahlen möchte, dann klappt das im Tian. Ich bin selber ja sehr carnivor veranlagt, habe das Fleisch aber nicht vermisst.

Und noch eine andere Betrachtungsweise - das Mutterschiff des Tian in Wien hat bereits einen Michelin-Stern ergattert - und so betrachtet ist das hier ein recht günstiger Einstieg in die Welt der Sternegastronomie.

Schlusswort zur Weinkarte: Die ist klein, aber gut ausgewählt und fair kalkuliert.

My 5 Cents: Give it a try!

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Vorschau: Burns Night im Januar

Liebe Freunde der skurrilen Kulinarik, mutige Esser, unerschrockene Gourmands,

es ist mir ein orgelumtostes Hochamt einen im neuen Jahr anstehenden Termin ankündigen zu dürfen, der mich schon jetzt in Vorfreude versetzt und ganz hibbelig macht.

DER 25. JANUAR

Der 25. Januar ist ein für den Schotten hoher Feiertag. Es ist der Feiertag für Robert Burns, den schottischen Nationaldichter, der am 25.01.1759 das Licht der Welt erblickte. (Holen Sie Luft, jetzt kommt ein langer Satz):
Seine ikonenhafte Verehrung verdankt der Poet nicht nur dem seiner Feder entsprungenen und allseits bekannten Auld Lang Syne sondern auch seiner Neigung Gedichte in schottischer Mundart zu verfassen, seiner Freimaurerei, der Würdigung der Natur und seinen Briefen und kleinen politischen Schriften, die (und jetzt schreibe ich hemmungslos aus Wikipedia ab, weil das echt gut klingt) eine Reinheit und Leichtigkeit des Ausdrucks, eine Eleganz, Mannigfaltigkeit und Kraft (haben), welche den Mann von Genie bekunden.

Ihm zu Ehren findet vielerorts, zumeist dort, wo es durch die Irrungen und Wirrungen von Zeit und Geschichte zu einer überdurchschnittlich hohen Zahl von Schotten kommt, ein BURNS SUPPER statt.

Herzstück dieses kulinarischen Ereignisses ist die Verlesung des Burns-Gedichts The Address to a Haggis, in welchem er in einer Ode das schottische Nationalgericht, den Haggis, besingt. Dieses Werk wird feierlich rezitiert begleitend zu der Präsentation und des Anschnitts des Haggis.


Koch- und Kaminkollege Kemmler und ich haben entschieden: Im nächsten Jahr werden wir dieser Tradition nicht nur irgendwo beiwohnen - wir werden, als Schotten im Herzen, einen solchen Abend selbst veranstalten.

Der Haggis ist ein entfernter schottischer Verwandter vom Saumagen ... allerdings in seiner ganzen Art deutlich nach innen gewandter, rustikaler und herausforderner ... und vom Schaf. Aber keine Angst. Sie sind nicht alleine!

Selbstverständlich bereiten wir für diesen Abend einen Haggis zu - aber nicht nur. Um ihn herum gibt es ein 4gängiges, schottisch inspiriertes Menü. Whiskey wird in Strömen fließen - zu jedem Gang wird der passende ausgeschenkt.

MENÜ 
(voraussichtlich und vorbehaltlich kleiner Änderungen)


1. Gang 

SchwarzwurzelCappuccino mit Rote Beete und Überraschung am Spieß.
Getränk: Whisky

2. Gang 
RauchFischPasteten auf HighlandSalad.
Getränk: Whisky

3. Gang
HAGGIS, Baumkuchen von Steckrüben und Kartoffeln, WhiskeyGravy
Getränk: Whisky

4. Gang
Trifle
Getränk: Whisky


Und der Abend wird gewürzt mit weiteren literarischen Darbietungen im Geiste von Robert Burns. Und selbstverständlich wird auch der Ritus der Gedichtsverlesung stilecht zelebriert - in ORIGINAL Schottisch und im Kilt. Besonders luftig!

Die technischen Eckdaten:

Wann? 25.01.2015 - um 20:15 Uhr (bei dem Datum geht leider keine andere Zeit)

Wie Viel? 70€ pro Nase für ein 4gängiges Menü mit Haggis, passender Whiskeybegleitung und jeder Menge Vortragskunst dazwischen. Episch!

Was muss ich tun, um dabei zu sein? Am besten jetzt gleich eine Mail schreiben und reservieren - die Plätze sind begrenzt und erfahrungsgemäß schnell weg.

In riesiger Vorfreude eine inniges Slainte Mhath!

Marc

Dienstag, 16. Dezember 2014

Nachlese - Alternativer Advent 3 - HIGH TEA

Am dritten Advent gab es planmäßig den dritten alternativen KaminEvent vor Kemmlers Wohnzimmerfeuerstelle. Nach Breakfast und Lunch heißt es zur dritten Runde nun: It's Teatime!

That is so very british - und deshalb orientieren wir uns an der Köstlichkeitsfront auch an klassischen Errungenschaften der britischen Küche. Ja, die gibt es.


Das Literarische Werk, das Pate stand für die Veranstaltung: Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele von Douglas Adams aus dem Jahre 1988. (Kann man übrigens HIER kostenlos als Hörbuch hören).

Dirk Gently, die Hauptperson in den beiden unbekannteren Detektiv Romanen von Douglas Adams, ist holistischer Detektiv, der von der Verknüpfung von Allem mit Allem überzeugt ist. Das, zusammen mit der Unwahrscheinlichkeit als zentrale Antriebskraft in der Adams-Welt, ist steuernde Kraft in den Romanen und in den kulinarischen Kompositionen und der praktizierten Raconteurskunst an diesem späten Nachmittag.

Beginnen wir mit dem obligaten Gruß zum Start.

Löffelstart
Vorweg gibt es einen in bester Legomanier zusammengebastelten Appetithappen aus der Welt des KochKubismus. Auf dem Löffel befinden sich ein doppeltes KarottenPü (aus roter Urkarotte und sehr gelber gelber Rübe), darauf ein MiniSandwich mit Frischkäse und Schnittlauch, darauf ein Scheibchen einer Pygmäengurke und ein rotes Pfefferkorn. Unwahrscheinlich, dass meine leicht wurstigen Fummelstummel von Fingern, das so akkurat auf den Löffel filigranierten - das erstaunt mich nachhaltig ...

So aufgewärmt steht dem ersten Gang nichts im Wege.

Gang 1 - Holistic Salmon

Der Lachs, besonders englisch, wenn es sich um wilden schottischen Angellachs handelt. Und besonders holistisch in der Bandbreite seiner hier dargereichten Zubereitungsformen. Der Lachs kommt in Form von: einem Whiskey gewürzten Tatar, einer MaronenLachsSuppe mit frischer Lachseinlage, einem in Tee hausgeräucherten Lachs und einem kleinen LachsNigiri. Mehr Lachs auf einem Teller krümmt nach aktuellen Erkenntnissen den Raum und könnte zu einer sofortigen Auflösung der Welt wie wir sie kennen führen. Also Vorsicht!

vielfacher Lachs in unterschiedlichen Entitäten
Als Getränk dazu servieren wir einen Isle of Man Iced Tea, der im Gegensatz zu seinem amerikanischen Kumpel, dem Long Island Iced Tea, tatsächlich aus Tee besteht. Aus grünem nämlich. Zusammen mit Büffelgraswodka, Limettensaft, Zuckersirup, Minze und natürlich Tonic ergibt das einen wunderbaren Lachsbegleiter - und einen leicht hinterhältigen Dichtmacher, der unmerklich den Spaßfaktorhebel zart gegen Ulk schiebt.

Isle of Man Iced Tea
Dazu wird der Roman in grober Zusammenfassung und originalen Auszügen verlesen, dabei geht es um die Hässlichkeit von Flughäfen, einen Familienstreit unter Göttern und eine Enthauptung, die von der Polizei für einen besonders hinterhältigen Suizid gehalten wird, verübt nur, um den Ermittlungsbeamten das Leben schwer zu machen.

Ein schweres Leben, das hat Arthur Dent auch. Die Hauptperson aus Per Anhalter durch die Galaxis hat es ja per se nicht leicht, hat man ihm doch sein Haus mitsamt dem Planten, auf dem selbiges Stand, der Erde, quasi unterm Hintern weggesprengt. Im fünften Band der vierteiligen Trilogie (Einmal Rupert und zurück), strandet Arthur auf dem Planeten Rupert und vertreibt sich dort seinen extrem langweiligen Alltag mit der Perfektionierung seiner SandwichSkills.

Ein Protagonis entreffen: Im zweiten Gang stellen wir uns vor, dass Arthur Dent den chronisch abgebrannten Dirk Gently besucht und als Gastgeschenk Sandwiches mit hat - das ist sicherer, als darauf zu vertrauen, dass Dirk etwas anbieten würde, denn einer der Nebenstränge der Geschichte im langen dunklen Fünfuhrtee der Seele dreht sich darum, dass Dirk aus Angst vor dem Inhalt seinen Kühlschrank schon über 3 Monate nicht mehr geöffnet hat.

Gang 2 - Dent bei Dirk

Was ist britischer als Sandwiches? Und die klassischen Sandwiches auf jeder Etagere beim High Tea ist sträflich unkomplett ohne ein EggSandwich und ein CucumberSandwich. Die gibt es hier auch - allerdings leicht dekonstruktivistisch.

Sandwiches: Ei mit WachtelEi und komplett ziselierter Cucumbrismus bei der Gurke: Gurke, mit Ziegenkäsecreme gefüllt, GurkenSalat mit Sesam und Tee, GurkenJoghurtSchaum - und Röstbrot.
Auch das Getränk bleibt britisch. Ein Pimm's No1. Klassisch serviert mit Gurke - aber statt dem eigentlich darin vermixten Ginger Ale bringen wir einen alpenländischen Akzent mit hinein und vermixen Almdudler. Und nennen den Drink fröhlichen "Den Doodler".

So mixt er sich:

1 Glas mit Eiswürfeln (Longdrinkglas)
4 cl Pimm's No. 1
2 Scheiberl Salatgurke
mit Almdudler aufgießen (ebenfalls etwa 4 cl)

Cheers!

Im interimistischen Rezitativ intoniert Herr Kemmler chinesisches Gedichtwerk über Tee.

Die Spätnachmittagssonne bescheint den Bambus,
die Quellen glucksen vor Entzücken,
der Wind in den Kiefern tönt in unserem Teekessel wider.
Lasst uns vom Vergänglichen träumen
und bei der wundersamen Torheit der Dinge verweilen.
Kakuzo Okakura, japanischer Philosoph, 1862-191

Der Teemeister Rikyu wurde von einem Schüler gefragt, was der Sinn des Teeweges sei.
Rikyu antwortete in der für den Zen typischen Reduktion auf das Wesentliche:
„Wasser holen, Feuer anzünden, Wasser erhitzen,
Tee schlagen und trinken, das ist alles!“
Als der Schüler darauf entgegnete: „Das kann ich schon alles.“
antwortete Rikyu: „Dann möchte ich dein Schüler werden.“
Sen Soki (Soeki) Rikyû (1522-1591)

Die erste Tasse netzt mir die Lippen.
Die zweite verscheucht meine Einsamkeit.
Die dritte durchdringt mein unfruchtbares Inneres,
um darin nichts als einige fünftausend Bände wunderlicher Ideogramme zu finden.
Die vierte erregt einen leichten Schweiß;
alles Schlechte des Lebens scheidet durch meine Poren dahin.
Bei der fünften bin ich geläutert.
Die sechste ruft mich ins Reiche des Unvergänglichen.
Die siebente – Oh, ich kann nicht weitertrinken,
ich fühle nur den kalten Windhauch, der sich in meinen Ärmeln fängt.
Laßt mich in diesem lieblichen Windhauch segeln und mitschweben.
Dichter Lo Tung (T’ang Dynastie)

In der Welt gibt es drei höchst bedauernswerte Dinge:
Das Verderben bester Jugend durch falsche Erziehung,
die Entwürdigung guter Gemälde durch pöbelhaftes (unverständiges) Begaffen
und die Verschwendung (restlose Vergeudung) guten Tees durch unsachgemäße Behandlung.

Tschu Lai (Li Chi Lai) (Sung Dynastie, 12. Jh.)

Danach und nach einer Reihe Stehgreifsteegespräche und teezeremonieller Hintergrundinformation starten wir in die dritte Runde des Abends.

Gang 3 - Battle of the Pies

Pies sind das wohlige Rückgrat der englischen Küche. Wir reflektieren hier den Konflikt zwischen Odin und Thor, lassen aber an Ihrer satt 2 Pies in den Kampf ziehen, die sich aber dann auf dem Teller schlichtweg weigern aufeinander loszugehen und sich im Angesicht des Erbsenpüs schnell friedlich die Hand reichen und lecker koexistieren. Auf dem Teller finden sich ein Shepards Pie in der Hunters Edition. Der Shepard ist ja normalerweise vom Schaf - in der Hunters Edition aber vom Hirsch. Das ... nennen wir es Gulasch ... wird mit Kartoffelpü überzogen und dann überbacken. Der Kontrahent ist ein Kidneypie - Nieren! Ein Nierentryptichon von Lamm, Kalb und Rind. Lange geschmort mit jeder Menge Sherry und dann mit Blätterteig gebacken (ganz nahe dran an diesem Rezept!). Und ja - harmonische Wohligkeit breitet sich aus. Und das liegt nicht nur an dem dunklen englischen Ale, das zu diesem Traditionsgang in die Gläser kam.

peaceful pies & pea purée
Bevor es zur Beschreibung des Desserts kommt, muss ich erzählen, wie dieses Dessert zustande kam. Es hat nämlich eine Vorgeschichte - und es ist WIRKLICH GENAU SO passiert.

Es begann damit, dass ich dachte, dass das bei Douglas Adams eigentlich immer und überall auftauchende Prinzip, das ordnet und antreibt, das lenkt und steuert, die Unwahrscheinlichkeit ist.

Und dieses ordnende Prinzip gab mir den motivatorischen Stoß für diesen Alternativen Advent ebenfalls mal einen Text beizusteuern und darauf zu vertrauen, dass das Unwahrscheinliche passiert  und mir ein pointendichter Toptext in den Tippapparat flutscht.

Und es fing gut an. Sehr gut sogar. Die Unwahrscheinlichkeit überraschte mich immens. Es begann damit, dass mit dem Aufklappen des Computers sofort ein neuer Titel für meinen seit nunmehr 17 Jahren im Arbeitszustand befindlichen autobiographischen Roman auftauchte. 

Ja. Gut. Das ist schon häufiger passiert und ehrlich gesagt ist das auch die deutlichste Evolution, die dieser Roman in den letzten Jahren nahm. Wechselnde Titel.  Vorangegangene Titel waren zum Beispiel:

Solitario – Die Einsamkeit macht uns Gemeinsam.
- oder - 
Die größte Hose, die ich je hatte.
- oder -
I take two of everything.
- und zuletzt -
Hummeln können gar nicht fliegen.

Und das ist nur eine sehr kleine Auswahl. Jeder gefiel mir. Zumindest eine zeitlang.

Aber noch selten hatte ich den Eindruck, dass ein Titel so sehr aus der Aktualität meines Lebens erwuchs wie dieser jetzt. So nahe bei mir und so klar und deutlich meine Welt im Hier und im Jetzt reflektierend.

Ich schrieb also, endorphinal aufgeladen den neuen Titel und tippte elektrisiert:

Zwischen Nachdurst und Völlegefühl.

Jawoll.

Gut, dass ist jetzt nicht Krieg und Frieden oder Schuld und Sühne ...

Zwischen Nachdurst und Völlegefühl.

Ich finde das hat Kraft. Es ist deskriptiv und hat Hintersinn. Es hat einen eindrucksvollen Farbeffekt, der aus der Vergangenheit  ins Jetzt strahlt.

Und damit hatte es sich dann aber auch schon wieder. Das elektrisierte Gefühl war mit dem Tippen des "." ausgeknipst. Der Schreibfluss kam zu einem abrupten Ende.

Die Unwahrscheinlichkeit hob kurz den Mittelfinger und wurde zum Erwarteten. Denn mehr wollte mir beim allerbesten Willen nicht einfallen. Essig. Nichts weiter passierte. Versonnen sah ich einem kleinen Busch zu, der von einem letzten Gedankenwind hinter meiner Stirn entlang getrieben wurde.

Gut. Es war ein Versuch. Ich beschloss es sein zu lassen und statt dessen aktiv gegen diesen Nachdurst zu arbeiten und mir ein Helles aufzuziehen.

Und da sah ich sie. 
Im Schrank.
Ich sah sie ganz deutlich. 

Die leicht angesprungene Kanne aus der Sammeltassensammelung meiner Urtante. Sie hatte sich verändert. Es war etwas ganz und gar douglasadamsieskes geschehen. Eine Materietransformation in einem Ausmaß, dass man damit ein kleines Raumschiff hätte antreiben können. Ach hätte ich in diesem Moment doch nur ein kleines Rausmschiff gehabt. Aber ich schweife ab.

Die Kanne also, die Kanne: Ihre Molekularstruktur hatte sich in einem extrem unwahrscheinlichen Akt der wasweißich ... räumlich begrenzten Quantenverschiebung? ... verändert. In Kuchen! Man fasst es nicht. Diese Unwahrscheinlichkeit ist ein Hund. Schlägt dort zu, wo man’s jetzt aber mal so gar nicht erwartet. Täuscht links an und spielt rechts vorbei. Raffiniert. Das würde mir jetzt sicher keiner glauben - aber ich habe es fotografiert. Und das was man auf Fotos sieht, das ist wahr, das weiß ja jeder!

Beweisfoto der Materietransformation - mit einem leichten Anflug einer strukturellen Integritätskrise.
Damit hatte ich jetzt zwar keinen Text für die Veranstaltung aber immerhin einen Nachtisch. Auch was wert.

Gang 4 - Nachtisch - Die Langweile des unsterblichen Wawbagger

Diese Akt der Materietransformation hätte sicher das Potential gehabt, selbst den von allem schon immer zutiefst gelangweilten Randcharakter aus Das Leben, das Universum und der ganze Rest für einen kurzen Moment aus seiner aus seiner tiefen Fadesse zu ziehen ob der Unwahrscheinlichkeit des Ereignisses.

Der erschienene Teekannenkuchen entpuppte sich als GrünTeeBiskuit mit Erdbeersahne und SchokoGarnache.
Damit er nicht so einsam auf dem Teller liegen muss, bekommt er Gesellschaft von hausgemachtem ErdbeerEis, einem Brownie mit Marzipan und PannaCotta und einem WaldfruchtGlühweinGelee.
Dazu wurde dann stilecht Earl Grey eingetasst.

Und unter der Leerung aller Reste, weiteren Kannen Tee und ein paar Flaschen Wein ging der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele dann Richtung Mitternacht zu einem würdigen Ende.

Aber die Serie des Alternativen Advents ist noch nicht vorbei - Das abschließende Dinner steht am kommenden Sonntag ins Haus  - zum 4. Advent vor Kemmlers Kamin.