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Dienstag, 9. Dezember 2014

Retrospektive - Alternativer Advent 2 - LUNCH

Fulminant, liebe Freunde der alternativen Adventszeit, fulminant fand ich unseren Lunch zum 2. der vier Kerzenfeste vor Kemmlers Kamin.


Der mottogebende Stoff war kein leichter. Das Werk, das Pate stand für das Menü und die Kunst zwischen den Gängen, Naked Lunch von William Seward Burroughs, ist wahrlich keine entspannte Nebenbeiliteratur. Man könnte sagen: Auf der ganz anderen Seite von Rosamunde Pilcher. Am andere Ende der Skala. Eines der zentralen Werke der Beat Generation. Das Werk beschreibt dunkle Albtraumwelten, drogeninduzierte Halluzinationen, wegtriftenden Verstand, üble sexuelle Ausschweifung gewürzt mit jeder Menge Gewalt in expliziter Sprache. Und das zum Teil schön unappetitlich. Den Inhalt dieses Buches in ein Menü zu transportieren ... und das noch in der Weihnachtszeit ... eine Herausforderung. Danke, liebe Gäste, dass ihr euch auf das surreale Motto eingelassen habt, so bei der Sache ward und so viel Spaß bei der Geschichte hattet. Danke auch, dass ihr sehr lange den beknackten Soundtrack ausgehalten habt - es lief zwar kein schwurbeliger Freejazz von Ornette Coleman, wie es sich eigentlich gehören würde - aber die Weihnachts-CD der Beach Boys im Wechsel mit nicht weniger als ZEHN unterschiedlichen Versionen von Mele Kalikimaka, das ist ähnlich psychotrop und erfordert gute Nerven. Sehr tapfer!

Der Menü-Pate: Bill
Starten wir aber hinein in das Nacherleben dieses Happenings.

Komplexer Schlachtplan
Wir begrüßen aus der Küche mit einem Löffelhappen. Linsen, Speck, Granny Smith - in Butter geschwenkte Spargelspitze und etwas Kavier. Krasse Mischung. Es braucht krasse Mischungen bei diesem Thema!
Das kusinale Servus!
Dazu gibt es nen mehrdimensionalen Cocktail. Psychedelic Fruit Tryptichon: Ein Prosecco-Cocktail mit LavendelGelee, mit einem ErdbeerMargarithaEiswürfel und einem BelliniSchaum. Ein ideales Getränk, wenn man sich mal wieder nicht entscheiden kann, was man trinken möchte. Dann am besten alles. Gleichzeitig. Und gleichzeitig ein subtil hinterhältiges Spiel mit der Trinität.

Psychedelic Fruit Tryptichon
Der Cocktail führt direkt hin zum ersten Gang und übergibt das thematische Staffelholz.

1. Gang: Psychedelic Soup Tryptichon

Wieder ein flotter Dreier. Diesmal in warm und mit Suppen. Wir huldigen mit diesem Gang den hypnotischen Farben der späten Beat- und frühen Acidszene. Und dem Alkohol. Denn Alkohol war, neben einem Potpourri anderer Stimulanzien, durchaus wichtig im Lifestyle der hier reflektierten Subkultur.
Die Suppen in Erwartung ihrer Anrichtung
Es finden sich hier zusammen:
  • ErbsenMinzSuppe mit Vermouth
  • KarottenIngwerOrangenSuppe mit Bourbon Whiskey
  • RoteBeeteKartoffelSuppe mit na klar Wodka
Das viskositätsoptimierte Suppentrio mit Rote Beete und Rüben Chips und hübsch bunten Gewürzblüten
Als Brücke zum zweiten Gang liest Herr Kemmler eine Schlüsselstelle des Romans, in welcher der Marktplatz von Interzone beschrieben wird. Interzone, jene dunkle Welt im Kopf der Hauptfigur Bill, in welche er sich flüchtet, nachdem er im Drogenrausch seine Frau erschossen hatte. Eine wilde Ansammlung von Spelunken, in der sich Kriminelle, Dealer und bizarre alienartige Geschöpfe tummeln. Zerrbilder, die eine Mischung aus arabischem Basar, asiatischer Opiumhöhle und Weihnachtsmarkt in Bottrop beschreiben. Düster, diese Welt - und DÜSTER ist auch der nächste Gang.

2. Gang: Es wird N8 in Interzone

Ein schwarzer Gang. Belugalinsen mit einem Touch Balsamico bilden das Fundament. Darauf eine Jakobsmuschel, schwarz verpackt in Sesam. Schwarze Majo. OlivenTapenade. Leckere Dunkelheit.

Im permanenten Halblicht der Interzone ist es ja so gut wie unmöglich scharfe Fotos zu machen (... sorry dafür ...)
Nicht weniger dunkel das Getränkt dazu. Eine Blacky Mary. Marias dunkle Seele. Ein mit einem Hauch Tintenfischtinte geschwärzte Tomatenessenz mit einem ordentlichen Schluck Wodka. (Mehr zu der Tomatengeschichte gibt es versteckt hinter diesem mit jedem Wort länger werdenden Link)

Blacky Mary
Die Kunst zwischen den Gängen besteht aus einem intensiven Fanbrief an den Herrn Börrooghs, in welcher Manfred Huber ein paar praktische Fragen zur Zone hat, wie man da hin kommt, zur Bewusstseinserweiterung und dem generellen Überhaupt - Hier nachzulesen!

Und nicht nur das - in österreichischem Zungenschlag gibt es noch eine kulinarische Antastung an etwas, dass es unbedingt schon immer hätte geben sollen - an BEATNOCKERLN.


Beatnockerln
(von Sven Kemmler)

Langsam hab ich des Gewaschel eingebodelt.
Und dann, wie ein Kaiserschmarrn
der langsam über des Randl vom gusseisernen Pfandl bampelt,
hat sich ein Powidl üher die Periphäsen gegossen,
abseicht und blaug'hudelt,
aber im Schein der gelben Pomeranzen
drah'n sich die Bananen gepfeffert und gesalzen
und es kummt ein zerdetschter Krachsalat
eh mit dafidelten Karfiol-Blunzen
und grompelt as Uberhammerte zum Gloss

Vongkrapfen bludern aus,
hengeln die Dätscherten
kipferln die Grammeln
und selchen die Wangerl
vorn is, da ist
Du Beat. I Beat. Mir Beaten
Jo eh.

Der Eischwammerl spricht mi oh
langt nach der klopperten Stelzen
Fisolen strankerl durch die Dunkle Suppn
nur ein einsamer Germ sucht an Knödel
riebieslt ein Fleischvögerl
Im Quargelkarré lauert stimpfig ein Heuriger
"Maroni" schreit er mit letztem Gedimpel
beuschelt des Bammerl bis einbrennte Ranzen
(steigernd) wengeln
wansteln
wischeln
striezeln und obapicken
Schmatzschwammerln
dann
a Ruah!

Vongkrapfen bludern aus,
hengeln die Dätscherten
kipferln die Grammeln
und selchen die Wangerl
hint is vorn, da ist
Du Beat. I Beat. Mir Beaten
Jo eh.


3. Gang: The (bleeding) Heart of America

Ein politischer Gang von mehrdimensionaler Bedeutung. Anklagend. Fingerzeigend. Offensiv und hintersinnig. Ein tomatenblutendes Polentaherz reckt, nicht zuletzt motiviert durch den tatsächlichen Schusswaffenunfalltod von Burroughs Frau im Jahre 1951, ein Fragezeichen in Richtung irrer Waffengesetzgebung und weltweitem Coltgewackel. Eine BisonBolognese schaut in die Vergangenheit und fragt den weißen Mann: "Sag' mal ... geht's eigentlich noch?!" ... Das Wintergemüse zeigt einen versöhnlichen Ausweg und spricht mit einem milden Lächeln: "Think global, act local!"

Selten war Kritik so lecker
Was dem Mittag bisher schmerzlich fehlte: Saftige Pornographie. Genau. Und die kommt nun ins Glas mit dem wirklich wundervollen Pornfelder von Lukas Krauß, dem Winzer mit Hut. Einer enorm süffigen Cuvée aus PORtugieser und dORNfelder.


Und so leicht angeshakert geht es entspannt Richtung Dessert.

4. Mugwamps Store of (Legal) Drugs

Im vierten Gang bringen wir alles auf einen Teller, was es an legalen Drogen gibt: Alkohol, Nikotin, Koffein, Zucker, Schokolade und Chili - alles Stoffe, die in unserem Gehirn die gleichen Areale stimulieren wie Kokain, Heroin oder Crack. Und auch in ihrer Suchtgefahr na dran sind.

Wir haben eine in Hanfsamen, Chili, Zucker und Minze gebratene Ananas - mit Bourbon flammbiert. Dazu ein TabakEis. Eine sehr smoothe Mousse au Chocolat mit Chili. Ein SchokoEspressoGelee und ein SchokoladenCrossi.

Alle legalen Drogen auf einem Teller
Das Getränk dazu ist in Sachen Suchgefahr das Crystal Meth der Cocktailwelt: Der frontallappenauflösende ESPRESSOMARTINI. Ohne Umwege bringt dieses Getränk direkt Spaß in den Kopf und löst folgende Reaktion aus: "Was ist denn das ... das ist ja ... mmh ... ... das ist ... oooooooh!"

Danke an dieser Stelle auch an Matthias für seinen kulinarischen Gastbeitrag, den urmächtigen Schokobrownie mit salted caramel und scharfem Fruchtgummi. Wunderbares Fitting mit dem Gesamtszenario!

Wir wechseln die Musik von den stressigen Beach Boys auf Bob Dylan und chillen in den späten Nachmittag.

He! Apropos später Nachmittag ... nächsten Sonntag, am spätem Nachmittag, da gibt es in der Serie des Alternativen Advents vor Kemmlers Kamin eine wilde viergängige Teezeremonie. ... Gerade mal 2 Plätze sind noch frei ...




Lieber Herr Börrooghs - von Sven Kemmler

Ein fiktiver Fanbrief an William S. Burroughs, in welcher es ein paar Fragen zur Interzone gibt.

Entstanden im Kontext der schon jetzt legendären Veranstaltungsserie "Alternativer Advent" im Jahre 2014.


Lieber Herr Börrooghs,

ich wende mich an sie mit einer dringenden Bitte.
Seit Jahren schon bin ich ein großer Verehrer Ihres Schaffens.
Besonders verehre ich ihr Werk "The Naked Lunch", das ja nicht nur für mich ein Klassiker ist. Ich habe schon oft und gerne zuhause meinen Freunden und am Stammtisch daraus zitiert und auch schon vorgelesen. Da können sie sich vorstellen, da ging es hoch her und es hat auch für Stimmung gesorgt.
Und dann hat der Karl, das ist ein Stammtischbruder, letztes Jahr vorgeschlagen, dass wir ja mal unseren Jahresausflug in die Interzone machen könnten. Wussten sie eigentlich, dass es bei uns mal Intershops in der Ostzone gegeben hat? Aber so sind ja die Zufälle, sie fallen gern mal hin, wo sie wollen.

Aber zurück zu meiner Anfrage: Wir wissen natürlich, dass man nicht so einfach zur Interzone fahren kann, weil das ist ja mehr ein Zustand, da sind wir ja auch nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen. Aber da tun wir uns zugegebenermaßen schwer, diesen Zustand zu erreichen.

Was uns gereizt hat, das waren ja zum einen diese Sache mit dem Erotischen, das wo da immer wieder so durchscheint, quasi. Aber zum anderen dann auch die Insektengeschichte, dieser Mugwamp, also solche Viecherl auch mal sehen, das wäre doch was, haben wir uns gesagt.

Und da haben wir jetzt schon mehrfach versucht, diesen Zustand zu erreichen. Wir vertragen ja schon was, also trinkmässig, da müssen sie sich nicht sorgen, da geht schon was zusammen, aber von Interzone - keine Spur. Und was Insekten sehen und so betrifft: der ein oder andere hat mal gespieben, und ich hatte mal das Gefühl, dass der Hund vom Wirt irgendwie größer wirkt, aber sonst: Fehlanzeige!

An der Stelle vielleicht auch eine kritische Bemerkung. Die Sachen, die sie da so beschreiben und genommen haben, die sind ja illegal. Da kommt der einfache Mann nicht so einfach dran. Wir haben uns gezwungenermaßen dann mit anderen Substanzen versucht zu behelfen. Aber vom Insektenmittel kriegt man Durchfall, beim Flohpulver hat der Toni Asthma bekommen und beim Himbeergeist mit Ibuprofen von der Roswitha, das war mehr so eine Art innere Wirtshausschlägerei, aber in Zeitlupe. Von wegen Erotik oder so, da war auch nichts zu merken. Wir haben alles probiert, Herr Börrooghs, sogar bis hin zum Gras. Der Beppi hat ja sonst vor allem Mais, aber er hat extra einen Hanf angebaut, wegen uns und dem Beat. Aber in der Wirtschaft darf man ja nicht mehr rauchen und wo wir es draußen geraucht haben, sind wir eher müde geworden. Und der Schorsch hat erzählt, wo er das Kälbermastmittel mit dem Morphium genommen hat und sich dann vor den Ameisenhaufen gelegt hat; da ging ein bissl was zusammen, aber auch nur beim ersten Mal.

Unterm Strich also ist meine Frage die Folgende: wie kommt man in die Interzone und/oder kann man den Herrn Mugwamp anderweitig treffen? Über eine Antwort würden sich sehr freuen, mit freundlichem Gruß,

Manfred Huber und Ihre Freunde vom Literaturkranz Trostberg.